Bayerns Unternehmen fühlen sich stark wie lange nicht

München - „Konjunktur besser als das Wetter“

Die Zahlen zur aktuellen Wirtschaftslage in Bayern sehen gut aus. Nur die Baubranche muss durch eine kritische Phase. Foto: clash

Die Zahlen zur aktuellen Wirtschaftslage in Bayern sehen gut aus. Nur die Baubranche muss durch eine kritische Phase. Foto: clash

Plötzlich ist alles rosig: Die Zahl der Beschäftigten nimmt merklich zu, die Gewinne der Unternehmen steigen in Rekordhöhen und das allgemeine Wirtschaftswachstum erreicht wieder Zahlen wie in früheren Aufschwung-Zeiten. Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) erwartet sogar ein „Jobwunder“ – vielleicht sogar sein persönliches? – und viele Langzeitarbeitslose finden wieder Brötchengeber.

Doch: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in München weiterhin auseinander, wie Susanne Kurz von der hiesigen Arbeitsagentur überzeugt ist. Um das zu ändern, bedürfe es einer länger anhaltenden Boom-Phase.

„Das Konjunkturklima ist besser als das derzeitige Wetter“: Mit diesen Worten eröffnete Reinhard Dörfler, Chef der Bayerischen Industrie- und Handelskammer (IHK), vergangene Woche die Bayerische Konjunkturpressekonferenz. Und ließ weitere positive Meldungen auf die anwesenden Journalisten prasseln: Optimismus mache sich breit in Bayerns Unternehmen, immerhin 51 Prozent von ihnen beurteilen ihre aktuelle Lage als gut – nur sechs Prozent seien unzufrieden. 37 Prozent von ihnen wollen ihre Kapazitäten erweitern – die materiellen wie die personellen. „Das sollte ein verlässliches Signal für den Arbeitsmarkt sein“, jubelt der IHK-Chef. Eine Hauptursache für die derzeit glückliche Lage sei die Inlandsnachfrage.

Die Regierungskoalition in Berlin dagegen habe keinen Anteil am Erfolg, meint Dörfler: Nur die Unternehmen hätten ihre Hausaufgaben gemacht und „neue Märkte erschlossen, innovative Produkte entwickelt und effizientere Strukturen“ aufgebaut. „Jetzt aber ist die Politik gefordert, um den Aufschwung auch über 2007 hinaus nachhaltig zu sichern.“ Denn trotz der guten Zahlen sei noch keine Euphorie angebracht: „Im internationalen Vergleich ist Deutschland längst nicht dort, wo der Handballweltmeister hingehört.“

Besonders bei Dienstleistern und Großhändlern aber florieren die Geschäfte derzeit. Und auch im Einzelhandel hat die Mehrwertsteuererhöhung die Kauflust bisher nicht getrübt: „Bislang konnten die Untenehmen mit Rabattaktionen die Kauflust der Verbraucher stabilisieren. Ob diese nach dem Winterschlussverkauf noch anhält, ist ungewiss“, sagt Dörfler.

Wirklich Sorgen macht dem IHK-Chef allerdings die Bau-Branche: Die Aufträge im Wohnungsbau sind in den vergangenen Wochen merklich zurückgegangen. „Das allerdings war nach den starken Zuwächsen im vergangenen Jahr bedingt durch die letzten Ausläufer der Eigenheimzulage und die Vorzieh-Effekte der Mehrwertsteuererhöhung fast zu erwarten.“ Positiv hingegen wirkte sich der diesjährige milde Winter auf die Branche aus – zumindest gab es bisher so gut wie keine witterungsbedingten Auftragseinbußen.

Insgesamt hat sich der Wirtschaftsaufschwung freilich positiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt: Im Dezember beispielsweise waren 47.374 Münchner arbeitslos – und damit rund 15.000 Menschen weniger als im Vorjahr. „Vom Beschäftigungszuwachs profitierten vor allem unter 25-Jährige, deren Zahl sich innerhalb eines Jahres um knapp 25 Prozent reduzierte“, sagt Susanne Kurz von der Arbeitsagentur München. Aber auch ältere Bewerber, ausländische Arbeitssuchende sowie Langzeitarbeitslose wurden verstärkt eingestellt.

Kein Wunder, dass die Gewerkschaften nach Jahren der Zurückhaltung in den vergangenen Lohnrunden jetzt fordern, die Arbeitnehmer von den Gewinnen der Unternehmen profitieren zu lassen.

Die Metallindustrie beispielsweise fordert eine Lohnerhöhung um 6,5 Prozent, was die höchste Lohnforderung seit fünf Jahren ist. Entsprechend empört weisen die Arbeitgeberverbände derartige Vorschläge zurück. Bayerns IHK-Chef Dörfler spricht sogar davon, dass die Gewerkschaften hiermit „den Trend kaputt machen und sich am Arbeitsmarkt versündigen“: „Ein kräftiger Schluck aus der Lohnpulle würde die nach wie vor angespannte Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt mit seinen immer noch über vier Millionen Arbeitslosen schnell wieder verschärfen“, wettert er. Vermutlich aber sind es Überlegungen wie diese, die nichts daran ändern, dass die Schere zwischen Arm und Reich auch in München weiter auseinander klafft: Seit Mitte der achtziger Jahre hat sich die Zahl der Armen in der Stadt um jährlich acht Prozent erhöht; derzeit leben rund 158.000 Menschen unterhalb der Armutsgrenze: Vor allem bei den Alleinerziehenden liegt das Pro-Kopf-Einkommen deutlich unter dem Durchschnitt. „Das wird sich auch nicht großartig ändern, solange der Boom nicht über Jahre anhält“, prognostiziert Arbeitsagentur-Sprecherin Kurz. „Und ich sehe noch keinen andauernden Aufschwung. Klar sind die aktuellen Prognosen gut. Aber sie können schnell wieder anders lauten.“ Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 15.02.2007
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