Faschings-Tradition in Schwabing: Studenten mit Ideen und Samba für Familien

Schwabing · Zum Feiern in den Keller

Schwabing · Abtanzen, Ausflippen und Anbandeln. Schon zur Jahrhundertwende war Schwabing nicht nur berühmt-berüchtigt für seine (Lebens)-Künstler, sondern auch für seine Faschingsfeiern. »Ich denke an Faschingsnächte von maßloser Ausgelassenheit und an Menschen von seltsamen Gehaben, aber genialer Beweglichkeit des Geistes«, schreibt der Revoluzzer Erich Mühsam.

Dabei geht es aber nicht nur mondän zu wie bei den antiken Umzügen, wo etwa 1903 der Dichter Stefan George als Cäsar aufkreuzt. Mühsam gefallen eher die diversen Atelierfeste, wo »treffliche Schwabinger Mädchen (...) Leben und Liebe vorturteilsfrei und unbefangen zu nehmen und zu geben verstanden.« Ein Stück dieses Schwabinger Faschings-Flairs lebt bis heute im Viertel. Etwa beim Biedersteiner Kellerfasching, letztmalig in dieser Saison am Samstag, 17. Februar.

Die wohlig-enge Katakomben-Atmosphäre mit Kennenlern-Garantie sorgen wohl für den legendären Ruf und stets volles Haus: »Dabei geht es friedlich und anständig zu, dafür sorgen schon unsere drei Sanitäter und vier Sicherheitsleute«, erzählt Thorsten Walter, einer der drei Haussprecher, die den Fasching mit den 66 Bewohnern des selbstverwalteten Studentenwerk-Wohnheims organisieren.

»Jeder spricht hier mit jedem und jeder ist verkleidet.« Die wenigsten kämen nur im bunten Hemd: »Vergangenen Samstag war einer als Schiff unterwegs.« Ansonsten treten viele Mädls dieses Jahr als Engel oder Glücksfee auf, Jungs gehen heuer gern als Öl-Scheich oder Fußballer, berichtet Walter von der Faschingsfront. Für positives Aufsehen sorgte ein Problembär. Walter, als Franke mit Fasching aufgewachsen, will am Samstag als Tennislegende Björn Borg punkten. Stammgäste gebe es auch, einige längst dem Studentenalter entwachsen, erzählt der 26-Jährige. »Manche erkennt man schon am Kostüm, das sie immer tragen«: der Rocker mit Plastikgitarre etwa komme jedes Jahr. »Wie lang es den Kellerfasching gibt, wissen wir nicht, aber auf alle Fälle seit Hausmeister Horst da ist, also seit den Achtzigern.« Pro Person werden nur zwei Karten verkauft, und auch nur am Tag der Feier. »Um 14 Uhr sollte man da sein«, empfiehlt Walter, wenn man eine der 500 Karten ergattern will. Während sich die Mitzwanziger am Samstag in der Biedersteinerstraße 26 postieren (die Kasse öffnet um 16 Uhr), zieht am Ackermannbogen schon Samba-Stimmung durchs Viertel. Um 15 Uhr startet dort mit Live-Percussion ein Zug um die Häuser für die ganze Familie.

Jeder kann sich mit geschmückten Fahrradanhängern, Kinder- und Bollerwägen anschließen. Danach wird mit Tanz, Krapfen und Kinderprogramm weitergefeiert (Eintritt frei). Vielleicht wird aus dieser jungen Tradition auch eine Schwabinger Institution. Die »Weißen Feste«, die seit 1967 in der Max-Emanuel-Brauerei in der Adalbertstraße gefeiert werden, sind es bereits. In den 1950er Jahren hatten Kunststudenten in der Akademie mit den Mottofesten begonnen, mit Malereien auf weißem Stoff und weißen Kostümen – als Gegenidee zu den kunterbunten Faschingsbällen. Statt Stimmungsmusik gab es hier Rockbands. Mitternachts ließen sich Nackerte auf der Bühne künstlerisch anmalen. Very Schwabing anno 1960! Aber auch ohne »Bodypainting« gilt bis heute: Alles und alle in Weiß. M. Schmid

Artikel vom 13.02.2007
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...