Der Konzert-November bringt etliche „vergangen Geglaubte“ auf die Bühne

München - Was, die gibt’s also auch noch?

Soul in der Philharmonie: 
India Arie.

Soul in der Philharmonie: India Arie.

München - Der graue Monat, die Wochen, in denen die Menschen gerne zuhause bleiben, einheizen, vielleicht eine alte Lieblings-Platte auflegen, in Erinnerungen schwelgen. Wer doch manchmal rausgehen will, auch wenn die nasse, kriechende Kälte keinen Halt vor der Kleidung kennt, der kann auch in den Konzertsälen der Stadt einige Pop-Antiquitäten besichtigen.

Beim Durchstöbern des Konzertkalenders muss man kein besonderer Kenner sein, um immer wieder verwundert festzustellen: „Was, die gibt’s also auch noch!“

Den Anfang im heiteren Altgedienten-Reigen macht der Exil-Karibe und ewige Dub-Verwurster „Mad Professor“ am 3. November im Backstage. Seine Hochzeit hatte der Beherrscher eines zwei-Quadratmeter-Mischpults in den ausgehenden Achtzigern und frühen Neunziger. Aktiv ist er immer noch – gerade erst erschien sein neues Album von ihm durch den Dub-Wolf gedrehter aktueller und bekannter HipHop-, R’n’B- und Dancehall-Melodien.

Tags darauf, am 4. November, treten „The Lemonheads“ aus der Versenkung. In der kleinen Georg-Elser-Halle wollen die Briten beweisen, warum sie die Indierock-Krone wieder für sich beanspruchen. Im Rap-Geschäft beansprucht ungefähr jeder die Krone für sich, obwohl kaum eine Poprichtung so sehr der Schnelllebigkeit unterworfen ist: Heute Riese, morgen Rentner. So staunt der HipHopper, dass „DMX“ aus New York offenbar immer noch die Restgröße besitzt, um es über den Teich zu schaffen. Prolo-Rap mit viel Gebelle und inhaltlicher Weite vom Durchmesser einer Autofelge – verchromt, versteht sich.

Dagegen sind „Arrested Development“ inhaltlich betrachtet Philosophen erster Güte. In den Neunzigern waren sie ganz vorne mit dabei in der HipHop-mit-Hirn-Szene – neben Crews wie „A Tribe Called Quest“ oder „De La Soul“. Heute beackern vor allem „The Roots“, „The Streets“ und „Roots Manuva“ dieses Feld. Doch auch „Arrested Development“ melden sich wieder zu Wort, am 10. November im Backstage.

Viel Hirn und noch viel mehr Stimmvolumen bringt die noch immer sehr junge India Arie“mit. Sie gibt’s dankenswerterweise immer noch, obwohl ihre aktuelle Platte schon sehr arg in den Schmeichelpop abdriftet. Doch ihre Stimme, ach, diese Stimme... Kein Wunder also, dass sie in der nicht gerade für Popkonzerte berühmten Philharmonie auftritt. Sie hat das Zeug, eine Souldiva zu werden, bei der man sich auch in dreißig, vierzig, fünfzig Jahren erstaunt fragt: „Was, die gibt’s also auch noch?“

Bei Gregory Isaacs ist es dagegen schon sehr beachtlich, dass er immer noch die Kraft hat, von Jamaika aus um die Welt zu touren. Glaubt man den Gerüchten, ist er doch schon seit Jahrzehnten schwer Crack-abhängig. Seiner großartigen Stimme hat es nicht geschadet.

Unbeschadet überlebt haben auch „Chumbawamba“ das Abdriften in die hitparadentaugliche Musik. Ein kluger Schachzug, denn so erreichen ihre politisch sehr ambitionierten Texte ein viel breiteres Publikum – am 19. November im Formicula H39 auf dem Feierwerkgelände.

Ein großes Publikum glaubte auch Daniel Küblböck zu haben. Wer war das noch mal? Eben. Trotzdem versucht er’s offenbar wieder, sogar in der nicht gerade kleinen Elser-Halle am 26. November. Für Freunde des schlechten Geschmacks.

Für Freunde des alten Eisens hat das Deutsche Theater am 27. November besondere Gäste. Ja, die gibt’s auch noch: „Uriah Heep“ bombast-rocken wieder. Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 26.10.2006
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