Willkommen im Salon am Donnerstag in der Seidlvilla: Lesereihe »Brandloch«

Schwabing · Vergessene entdecken

Salon-Damen (v.l.): Sylvia Bantle (Elisabeth Castonier), Barbara Yurtdas (Irmgard Keun), Marianne Gradl-Grams (Hania Hoffmanowa), Alma Larsen (Mascha Kaléko), Ulrike Budde (Berta Zuckerkandl). Nicht im Bild: Angela Kreuz. 	Foto: ms

Salon-Damen (v.l.): Sylvia Bantle (Elisabeth Castonier), Barbara Yurtdas (Irmgard Keun), Marianne Gradl-Grams (Hania Hoffmanowa), Alma Larsen (Mascha Kaléko), Ulrike Budde (Berta Zuckerkandl). Nicht im Bild: Angela Kreuz. Foto: ms

Schwabing · Die eine hat das Drehbuch für einen Curd-Jürgens-Film, eine andere ironisch-charmante Großstadtlyrik und eine weitere eine Art frühe Popliteratur verfasst. Unkonventionelle Erfolgfrauen ihrer Zeit waren sie alle: Gina Kraus, Mascha Kaléko und Irmgard Keun – »kenn’ ich nicht«, sagen Sie, »noch nie gehört«? Dann sind Sie die Zielgruppe von »Brandloch«.

Die Lesereihe stellt seit Juni vergangenen Jahres einmal im Monat in der Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, literarische Arbeiten von unbekannteren oder vergessenen Autoren vor, deren Werke den Bücherverbrennungen der Nazis zum Opfer fielen.

Die damals gewaltsam unterbrochene Rezeption wieder aufnehmen möchte das Projekt von Münchner Autorinnen des Deutschen Schriftstellerverbandes, die über die Jahre schon »Spuren hinterlassen haben in Münchens Kulturszene«, wie Brandloch-Initiatorin Sylvie Bantle sagt. »Wir wollen vergessene Kolleginnen und Kollegen aus der Versenkung holen und zeigen, dass deren Werke auch heute noch interessant und lesenswert sind«, erzählt Bantle. Staubtrockene Aufarbeitung von Werk und Person ist aber nicht angesagt. »Brandloch ist kein germanistisches Seminar«, erklärt Bantle, »sondern das Projekt soll Lesefreude wecken.«

Der Zugang ist stets persönlich. Diesen Donnerstag, 26. Oktober, 19.30 Uhr, kann man die genannten Damen und Elisabeth Castonier, Hania Hoffmanowa und Berta Zuckerkandl kennenlernen (Eintritt: 7 Euro). Sechs Autorinnen schlüpfen jeweils in die Rollen der einzelnen Künstlerinnen und lesen deren Originaltexte. Verbunden mit eigenen Reflexionen zu Leben und Werk lassen Sylvie Bantle (belletristische Reiseautorin und Filmemacherin), Barbara Yurtdas (Bücher über Kultur und Literatur der Türkei), Marianne Gradl-Grams (literarische Landschaftsskizzen), Alma Larsen (Lyrikerin) und Ulrike Budde (Literaturprojekte) und Angela Kreuz, die heute weitgehend Vergessenen noch einmal zusammentreffen zu einem fiktiven Salon bei Berta Zuckerkandl.

Der findet zwar im Exil in Paris der dreißiger Jahre statt – »dabei geht es aber nicht nur traurig zu, sondern auch lustig«, wie Sylvie Bantle betont. Berta Zuckerkandl (1864-1945), Mitbegründerin der Salzburger Festspiele, war eine der bedeutendsten österreichischen Journalistinnen ihrer Zeit. Ihr sonntäglicher Salon in Wien und später in Paris war Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde mit Gästen wie Gustav Klimt oder Arthur Schnitzler.

Anlass der Brandloch-Lesereihe ist das Engagement für die »Bibliothek verbrannter Bücher« von Georg Salzmann. Der Gräfelfinger Rentner hat etwa 10.000 Bücher gesammelt, Werke jener von den Nazis verfemter Autoren, deren Schriften der Bücherverbrennung im Mai 1933 entgangen sind, darunter viele Erstausgaben. Der Wunsch des 78-Jährigen, die komplette Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist bisher wohl auch an seinem Wunschpreis gescheitert: 800.000 Euro.

»Den tatsächlichen Wert prüft derzeit ein Gutachter«, sagt Werner Karg von der Landeszentrale für politische Bildung. Karg erarbeitet gerade ein Konzept für den Landtag, der Ende des Jahres entscheiden soll über die Zukunft der Sammlung. »Die Stadt München ist jedenfalls nicht interessiert.« Michaela Schmid

Artikel vom 24.10.2006
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