Karl Scharnagl: Das Leben eines Münchner Bürgermeister in schweren Zeiten

Haidhausen · Es waren schwere Zeiten

Ausstellung im Haidhausen Museum: Das Leben von Karl Scharnagl (li.) – vom Bäckermeister zu Münchens erstem Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg. Foto: VA

Ausstellung im Haidhausen Museum: Das Leben von Karl Scharnagl (li.) – vom Bäckermeister zu Münchens erstem Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg. Foto: VA

Haidhausen · Vom Bäckermeister zu Münchens erstem Oberbürgermeister. Die steile Karriere des 1881 geborenen Haidhausers Karl Scharnagl beeindruckt noch heute. Wichtige Meilensteine seines privaten und politischen Lebens sind momentan im Haidhausen Museum ausgestellt.

Am Wiener Platz aufgewachsen, tritt Scharnagl nach einer vierjährigen Volksschulausbildung in die Fußstapfen des Vaters und absolviert eine Ausbildung zum Bäcker, um später den elterlichen Betrieb in Haidhausen zu übernehmen. Gleichzeitig engagiert sich der junge Bäckermeister in der Politik. 1911 wird er erstmals als Zentrumsabgeordneter für den Wahlkreis Rosenheim in den Bayrischen Landtag gewählt.

Nach dem Ersten Weltkrieg zog er unter Beibehaltung seines Landtagsmandats in den Münchner Stadtrat ein und wurde am 1. Januar 1925 erster Bürgermeister der Landeshauptstadt. Als entschiedener Gegner des »schändlichen Internationalismus« und der »entsetzlichen Jazzmusik« war der konservative Politiker den Nationalsozialisten dennoch von Anfang an ein Dorn im Auge. Doch Scharnagl unterschätzte die Gefahr und belächelte trotz des Putsches von 1924 die »Hakenkreuz-Gespenster-Furcht«.

Bis Scharnagl die volle Härte des NS-Regimes zu spüren bekam und im März 1933 aus dem Amt gejagt wurde, bewahrte er München durch den Ausbau der städtischen Elektrizitäts- und Wasserwerke sowie der Trambahn vor dem drohenden Verfall. Nach seinem erzwungenen Rücktritt kehrte Scharnagl an den Backtrog am Wiener Platz zurück, wo er jedoch vor den ständigen Schikanen des NS-Regimes nicht sicher war. Diese gipfelten 1944 in seiner Festnahme und anschließenden Verschleppung ins KZ Dachau. Treffen mit dem früheren Leipziger Oberbürgermeister und Protagonisten des Widerstandes Carl Goedeler wurden ihm zur Last gelegt. Nach eineinhalb Monaten ließ man Scharnagel jedoch wieder frei, so dass er die letzten Kriegstage in einem Kloster bei Glonn verbrachte.

Zurück auf das politische Parkett kehrte Scharnagel bereits am 4. Mai 1945 als ihn die Amerikaner baten, erneut das Amt des Münchner Bürgermeisters zu übernehmen. So zog der mittlerweile 64-Jährige wieder ins Rathaus ein. Doch die Arbeitsbedingungen waren noch katastrophaler als bei seinem ersten Amtsantritt 1926 – damals kämpfte die Landeshauptstadt mit einer gerade überstandenen Inflation und der beginnenden Wirtschaftskrise. Doch 1945 lag die Stadt in Schutt und Asche: Die Hälfte der Bausubstanz war vernichtet, 80.000 Wohnungen zerstört und 480.000 Münchner standen vor dem Nichts.

Allen Widerständen zum Trotz gelang es Scharnagl »München aus dem Ärgsten herauszuführen«, so Hep Monatzeder (Dritter Bürgermeister Münchens) bei der Ausstellungseröffnung im Haidhausen Museum letzte Woche. Sein Resümee: »Gut 57 Jahre nach dem Rückzug Karl Scharnagls aus dem politischen Leben im Mai 1949 und über 43 Jahre nach seinem Tod am 6. April 1963 ist eine solche Gedächtnisauffrischung mit Hilfe der Ausstellung ausdrücklich zu begrüßen.

Und das umso mehr noch, weil sich hier auch hochinteressante Einblicke auf die politischen Begebenheiten seines Lebens eröffnen, die nicht in den Akten stehen.« Andrea Koller

Artikel vom 17.10.2006
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