Die Stadt steigt um – 10.000 Computer laufen bald ohne Internet Explorer, Windows & Word.

München - Weg mit Windows

Die Stadt macht ernst: ab sofort nehmen viele der 14.000 städtischen Computer Abschied von Microsoft. Bald läuft im Rathaus, im KVR und in allen anderen Stadtbehörden Software, die es kostenlos im Internet gibt und an der jeder mitprogrammieren kann.

Die Stadt macht ernst: ab sofort nehmen viele der 14.000 städtischen Computer Abschied von Microsoft. Bald läuft im Rathaus, im KVR und in allen anderen Stadtbehörden Software, die es kostenlos im Internet gibt und an der jeder mitprogrammieren kann.

Beide sitzen im Rathaus seit vielen Jahren fest im Sattel: Oberbürgermeister Christian Ude und das Betriebssystem „Microsoft Windows“. Der OB regiert die Stadt, die Software deren Computer. Aber während OB Ude erst vor einigen Tagen verkündet hat, dass er auch die nächsten Jahre weitermachen will, müssen „Windows“, „Word“ und Co. Abschied nehmen. Nach drei Testjahren werden in der Stadtverwaltung ab sofort die Programme des Software-Riesen Microsoft durch kostenlose, freie Software ersetzt.

Ein gewaltiger Aufwand, den manchmal auch wir Münchner Bürger zu spüren bekommen. (siehe Interview)

„Linux“ heißt das neue Zauberwort. Dahinter steckt ein Betriebssystem, das „Windows“ inzwischen das Wasser reichen kann und in einigen Punkten sogar überrundet. Dabei ist es völlig kostenlos im Internet zu haben. „Erfunden“ hat es der Finne Linus Torvalds, der vor 15 Jahren eine erste Version schrieb. Seither – das ist ausdrücklich gewünscht – haben zehntausende Programmierer weltweit daran gefeilt und es immer weiter verbessert. Jeder, der will, darf „Linux“ für seine Bedürfnisse anpassen und erweitern – bei „Windows“ ist das verboten und auch nicht möglich. Während das freie Betriebssystem „Linux“ bis vor wenigen Jahren nur Computerfreaks interessierte, erobert es inzwischen mehr und mehr Computerbildschirme, und ab sofort auch die Rechner im Rathaus.

In den 90er Jahren schaffte es Microsoft mit seinem Betriebssystem „Windows NT“ auf die Computer vieler Firmen, Universitäten und Stadtverwaltungen, so auch in München. Weil der Software-Gigant (40 Milliarden US-Dollar Umsatz) aber sein neues Produkt „Windows XP“ verkaufen will, stellte Microsoft 2003 den Support für die Vorgängerversion NT ein. Die Folgen: Keine Updates und keine Hilfe bei Problemen mehr, vor allem wurden Sicherheitslücken nicht mehr geflickt - auf Dauer ein unkalkulierbares Risiko für die Stadt.

„Computerkrieg in München“ titelten die Zeitungen in den Wochen, als der Stadtrat darüber diskutierte, ob man neue „Windows“-Lizenzen anschaffen sollte oder – als erste Großstadt weltweit – „Linux“ ausprobieren. München entschied sich für den Mut – obwohl Microsoft-Chef Steve Ballmer höchstselbst aus den USA angereist kam, um Oberbürgermeister Christian Ude von seinen Produkten zu überzeugen. Auf neun von zehn Computern weltweit läuft das Microsoft-System „Windows“ - damit hat die Firma eine unvergleichliche Macht im Markt.

Und sie hat ihre Nutzer in der Hand. Microsoft-Software, vom Internet Browser über Word bis hin zum Media-Player, soll ihre Benutzer ausspionieren und die gesammelten Daten per Internet an Microsoft senden, so lautet der Verdacht von Datenschützern. Und selbst, wenn diese Befürchtung unbegründet sein sollte, bleibt eben das finanzielle Problem. Sobald Microsoft den Service für ein Programm wie „Windows NT“ einstellt, müssen sich die Nutzer eine neue Version kaufen. Oder sie wechseln eben das System komplett – wie es München gerade macht.

Dabei ist auch „Linux“ nicht umsonst zu haben. Zwar kostet die reine Software nichts, aber Umrüstung, Anpassung und Mitarbeiterschulung kosten mindestens 35 Millionen Euro, rund 140 Stadtangestellte arbeiten derzeit daran. Erst mittelfristig profitiert die Stadt davon: Anstatt neue Versionen kaufen zu müssen können die städtischen Programmierer bei Bedarf alles selbst erweitern und anpassen. Als sicherer gilt „Linux“ ohnehin, Hacker haben es viel schwerer als bei „Windows“. Und die Zahl der Viren ist praktisch zu vernachlässigen.

Zwar gibt es durchaus noch Reibereien bei der Umstellung, aber zumindest die Stadtspitze gibt sich gut gelaunt. „Der Computer-Arbeitsplatz ist gar nicht so viel anders als gewohnt“, sagt etwa Bürgermeisterin Christine Strobl, auf deren Rechner „Linux“ schon seit ein paar Monaten läuft. Auch Oberbürgermeister Ude diente vorab als Versuchskaninchen. „Im Piloteinsatz“, sagt er, „hat sich ‚Linux’ bewährt, nicht nur bei mir!“

Aber noch müssen die Computerspezialisten der Stadt ranklotzen: Bis Mitte 2009 soll die Umrüstung der Stadt-Computer abgeschlossen sein. Für die Computerspezialisten bedeutet das: Tempo machen! Um das Ziel zu schaffen, müssen sie jeden Tag etwa zehn Rechner umstellen.

Von Gecko Wagner

Artikel vom 12.10.2006
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