Albrecht Ackerland über Bücher

„Da schau her“

Lesen ist ein Lebensmittel. Wie Trinken, Essen, Schlafen. Es steht gar in Beziehung zu den anderen Elementen, die das Leben ermöglichen, so wie überhaupt all diese Elemente zueinander in Beziehung stehen: Mit einem leeren Magen etwa schläft es sich schlecht – Essen und Schlafen stehen also in Beziehung zueinander.

Unterhaltung empfinde ich freilich auch als Lebensmittel. Dass das Lesen mit ihr in Verbindung steht, ist klar. Und mit dem Essen, dem Trinken? Kochbücher! Weinratgeber! Manchmal lese ich solche Druckerzeugnisse lieber als Romane.

Mit den Romanen ist es ohnehin so eine Sache. Konsalik, Hera Lind, Dan Brown – zum Glück musste ich meinen Augen noch nie derartige Papierverschwendung vorführen. Ich vermute, solch Süßstoff taugt nicht einmal als Schlafmittel. Aber, wie es so ist mit der Kunst: Gut ist, was gefällt. Ob diese Verschwendung Kunst ist, das ist eine andere Frage. Lesen als Schlafmittel jedenfalls ist wohl gesünder als jedes Tabletterl. Auf meinem Nachtkasterl jedenfalls liegen immer fünf, sechs verschiedene Bücher, seit Monaten die gleichen, und jedes lese ich – je nach Laune. Leider wache ich regelmäßig am Morgen bei noch angeschaltetem Licht auf, das Buch neben dem Kopfkissen, gelesen habe ich vielleicht eine Seite. Das liegt nicht an der ausgeschriebenen Langweile in meinen Büchern, sondern an meiner fehlenden Durchhaltefähigkeit. Mir haut’s einfach die Lider runter, unweigerlich.

Das hat aber auch etwas Gutes: Die Unterhaltung währt viel länger, als wenn man ein Buch binnen einer Woche durch hat. Hab ich zwar auch schon praktiziert, manchmal reißt es einen eben, Sie kennen es sicherlich, wenn man einfach nicht aufhören kann.

Doch an Thomas Bernhards „Alte Meister“, an Sigmund Freuds „Das Unbehagen in der Kultur“, an Wolf Haas’ „Das ewige Leben“ und an Truman Capotes „Kaltblütig“ erfreue ich mich häppchenweise seit mehr als einem Jahr. In allen Büchern steckt das Einmerkerl irgendwo in der Buchmitte. Und bewegt sich nur langsam nach hinten. Zu groß ist der Genuss. Lebensmittel eben.

Artikel vom 05.10.2006
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