In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

Moosach · Stadt-Bewohner:

»Ich bin sportsüchtig«, gibt PSV-München-Trainerin Anne Heinzl offen zu.	 Foto: ks

»Ich bin sportsüchtig«, gibt PSV-München-Trainerin Anne Heinzl offen zu. Foto: ks

»Ich gehöre nicht zum alten Eisen«: Anne Heinzl will noch weitermachen Seit vielen Jahren trainiert die heute 59-Jährige sehbehinderte und blinde Leistungssportler beim PSV München in Moosach. Als Anne Heinzl 1966 nach München kam, wollte sie vor allem eins: selbstständig sein und studieren. Beides hat sie geschafft und deshalb ist die »sportsüchtige« Warsteinerin seit mehr als dreißig Jahren als Fachlehrerin für Sport an der Blindenschule und beim Postsportverein München, Franz-Mader-Straße 11, tätig.

Vor allem die Offenheit der Bayern, habe ihr dabei gefallen. »Von Cliquenwirtschaft habe ich gar nichts gemerkt, ich fand es im Sauerland schlimmer. Diese Angeberei und jeder wollte einen gleichgroßen Garten haben, das fand ich furchtbar, erst in München fühlte ich mich richtig frei. Fast kommt es mir so vor, als sei ich hier geboren.«

Dabei kam sie zur Betreuung von sehbehinderten und blinden Sportlern wie die Jungfrau zum Kind. »Ich wollte anfangs gar nicht, dachte mir, diese Arbeit liegt mir gar nicht, aber eine Freundin bat mich für ein Jahr für sie an der Blindenschule einzuspringen«. Nach nur zwei Jahren konnte sie bereits 15 Schüler zu den Deutschen LeichtathlethikMeisterschaften schicken. Früher sei sie vielleicht manchmal zu wild und zu fordernd gewesen, heute im Alter von 59 Jahren lässt sie es ruhiger angehen.

Seit ihren Anfängen 1972 hat sie im Hintergrund für zahlreiche Medaillen gesorgt, die sie allerdings noch nie gezählt hat. Zu ihren bekanntesten Zöglingen gehören die Biathleten Verena Bentele und Willi Brehm, die bereits im Alter von 15 und 16 Jahren die ersten Weltmeisterschaftsmedaillen gewannen. Als ihren größten Erfolg nennt Heinzl den Bau einer blindenspezifischen Laufbahn an der alten Blindenschule neben dem Trainingsgelände des PSV. Diese war auf beiden Seiten erhöht, damit die Schüler wussten wohin sie laufen mussten. Das förderte ihre Selbstständigkeit, doch leider wurde die Bahn bei Umbauarbeiten an der Blindenschule entfernt. »Wir versuchen, so eine Bahn wieder aufzubauen, aber die Kosten betragen 80.000 bis 100.000 Euro, das ist derzeit unbezahlbar«, erklärt Heinzl.

Ihre Trainingsbereiche sind vielfältig, neben Aquajogging und Wassergymnastik, lehrt Heinzl vor allem Leichtathletik und Ski-Langlauf. Ein Knochenjob im wahrsten Sinne des Wortes, denn Heinzl hat seit Jahren Rückenprobleme »Ich gehe alle zwei Jahre auf Reha, denn durch das viele und zum Teil sicherlich auch falsches Heben der Schüler hat mein Rücken gelitten«, schildert Heinzl. In ihrer geringen Freizeit geht sie trotzdem ihrer großen Leidenschaft Sport nach: Surfen, Schwimmen und Mountainbiken stehen bei ihr ganz hoch im Kurs. Unterstützt wird Heinzl seit mehr als 20 Jahren von ihrem Mann, der ebenfalls im Blindensport tätig ist und ihrer Tochter, die selbst Übungsleiterin ist.

Vor allem ihre blinden Schüler haben großes Interesse volle Leistung zu bringen, da sie mit Sehenden mithalten wollen. Deshalb hat sie sie auch im vergangenen Sommer mit nach Turin genommen und ist mit ihnen die original Paralympicsstrecke gelaufen »Das steigert die Motivation und wirkt einem Sportlerschwund entgegen«, meint Heinzl. Dennoch versucht sie ihre Schützlinge zu nichts zu drängen: »Der Druck muss richtig dosiert sein, ein zu früher Medaillenregen setzt die Sportler zu sehr unter Druck«, erklärt Heinzl. Gerade im neuen Schuljahr hat sie durch ihre langjährige Erfahrung wieder junge Talente in der Blindenschule entdeckt, die mutig genug sind Heinzls Übungen mitzumachen.

Ihre Erfahrungen im Umgang mit sehbehinderten und Blinden wuchsen zwischen 1980 und 1998 als Heinzl Trainerin des deutschen Behindertensports war, damals hatte sie ihren ersten Einsatz bei den Paralympics im niederländischen Arnheim. Seit sieben Jahren versucht sie kürzer zu treten, trotzdem bleibt es bei 27 Arbeitsstunden und mittlerweile viermaligen Training pro Woche beim PSV in Moosach, wo sie sich sehr aufgehoben fühlt.

So quirlig Anne Heinzl ist, möchte man gar nicht glauben, dass sie mit 65 Jahren in Rente gehen möchte »Ich fühle mich nicht alt und dass ich kürzlich den Bayerischen Sportpreis für mein Lebenswerk bekommen habe, macht mich nicht zum alten Eisen. Es erinnert mich eher daran, alles einmal aufzuschreiben.« ks

Artikel vom 04.10.2006
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