Geldig und gut versorgt: Warum wir Münchner älter werden als andere

Münchner - Gesund und munter?

Gesundheits-Staatssekretär Dr. Otmar Bernhard (CSU): „Lärm macht krank.“

Gesundheits-Staatssekretär Dr. Otmar Bernhard (CSU): „Lärm macht krank.“

Der Münchner, wie er leibt und lebt, scheint ziemlich gesund zu sein: Feinstaub, Lärm, Stress, dicke Kinder, dicke Eltern – all das kann gar nicht so arg ins Gewicht fallen angesichts der Statistik des Gesundheitsreferats: Immerhin wird der Münchner rund ein Jahr älter als der/die Durchschnittsdeutsche, ja sogar einige Monate älter als der Durchschnittsbayer – mal abgesehen vom Starnberger.

76,6 Jahre beträgt die Lebenserwartung der Männer und Münchner Frauen kommen gar auf 82,2 Jahre.

Warum? „Weil die Stadt wirtschaftlich gesehen vergleichsweise gut dasteht“, wie Dr. Gabriele Wiedenmayer vom Münchner Gesundheitsreferat erklärt. „Wenn es einem gut geht, man sich keine finanziellen Sorgen macht – dann lebt man länger.“

Dass die Menschen alt werden in München, spricht also für das Leben in der Stadt. Neben der florierenden Wirtschaft, die die Seele befreit, gibt es weitere Gründe, sein Wohl ausgerechnet hier zu suchen: Das Einwohner-Arzt-Verhältnis etwa ist in München günstiger als im übrigen Bayern. Was die Münchner ausnutzen: „Die Vielfalt und die kurzen Erledigungswege werden gut angenommen“, erklärte etwa Gesundheits-Staatssekretär Dr. Otmar Bernhard (CSU) bei einer Fachtagung zur „Gesundheit in der Großstadt“ in der vorigen Woche. Einer aktuellen Studie zufolge hatten mehr als 50 Prozent der Münchner und mehr als 75 Prozent der Münchnerinnen in den vergangenen drei Monaten einen Arzt aufgesucht. Was wiederum den Sinn für gesundes Leben schärft: „Das Gesundheitsbewusstsein steigt mit der Dichte an sozialen Einrichtungen, an Ärzten und Krankenhäusern“, so Bernhard.

Dazu kommt, dass das Risiko, bei einem Verkehrsunfall verletzt zu werden, in München geringer ist als auf dem Land, „denn hier kann man nicht so schnell und verletzungsträchtig fahren“, wie Dr. Manfred Wildner vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim ergänzt.

Dafür allerdings sind um ein Vielfaches mehr Autos unterwegs. Was unter anderem gesundheitsschädlichen Feinstaub produziert – und Lärm. „Dauerhafter Umgebungslärm wie an vielen Straßen Münchens ist ein Gesundheitsrisiko“, klagt Bernhard. Die Folgen: „Schlafstörungen, Blutdruckanstieg und Herzkrankheiten.“ Auch so genannter Freizeitlärm wie in Clubs und Discos sei ein Problem: „Fast jeder vierte Jugendliche in Bayern ist von Schwerhörigkeit bedroht.“ Lobenswert allerdings sei in diesem Zusammenhang, dass die Wiesn-Wirte in ihren Zelten auch heuer täglich bis 18 Uhr die Lautstärke auf 85 Dezibel beschränken.

Überhaupt die Wiesn: Wenn Münchens Singles hier ihr Herzblatt finden würden, wäre das ihrer Gesundheit zuträglich. Denn: „Die Singleexistenz scheint nicht unbedingt gesundheitsfördernd zu sein“, wie Bernhard sagt. „In einer Ehe helfen sich die Partner sowohl bei der Gesundheitsvorsorge wie im Krankheitsfall. So ist etwa festzustellen, dass Zusammenlebende häufiger an Vorsorge-Untersuchungen teilnehmen als Alleinlebende.“ Weil in München außerdem mehr sozial schwache Menschen leben als auf dem Land, sind hier Krankheiten wie Tuberkulose stärker verbreitet. Kinder aus Unterschichtenfamilien haben ferner häufiger Ess-Störungen als Oberschicht-Kinder, sie rauchen häufiger und berichten öfter über sexuelle Belästigung.

In einer Hinsicht allerdings verläuft der soziale Spagat umgekehrt: Kinder geldiger Eltern leiden häufiger an Allergien (rund 18 Prozent) als Unterschichtkinder (rund 13 Prozent); auch Migrantenkinder sind in dieser Hinsicht robuster (13 Prozent). „Das ist ein Hinweis auf die so genannte Hygienefalle“, erklärt Bärbel-Maria Kurth vom Robert-Koch-Institut. Kinder aus größeren Familien trainieren ihr Immunsystem demnach mehr als die, die „behütet wie im Gewächshaus“ aufwachsen. Dass Frauen übrigens fünf bis sechs Jahre älter als Männer werden, liegt vor allem an den Lebensumständen: Frauen rauchen und trinken weniger als ihre bessere Hälfte, Männer sitzen risikofreudiger hinterm Steuer und haben mehr Berufsstress.

Eine Studie zur Lebenserwartung von bayerischen Nonnen und Mönchen, also von Frauen und Männern unter ähnlichen Lebensbedingungen, deutet ebenfalls darauf hin, dass die „weltlichen“ Lebensumstände Schuld haben an der früheren Männersterblichkeit: Die bayerische Durchschnittsnonne nämlich wird nur rund zwei Jahre älter als der Durchschnittsmönch, so das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Für „zivile“ Frauen lohnt es sich übrigens nicht, ins Kloster zu wechseln: Sie leben genau so lange wie Nonnen, nur die Männer gewinnen wohl bei einem solchen Leben. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 28.09.2006
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