Albrecht Ackerland über Ausbildung

„Da schau her“

„Hättst was G’scheits glernt!“ – Das war einst die Standard-Antwort, wenn sich das Gegenüber über sein Leben und seine Arbeit beschwerte. Gilt diese Weisheit immer noch? Ich als gelernter Gemüsegärtner muss sagen: Ja!

Was bin ich froh, vor Dekaden einmal einen echten Lehrberuf gemacht zu haben. Zwar hab ich seit dem Ende meiner Lehre nicht mehr als Gärtner gearbeitet, zumindest nicht zum Gelderwerb. Gefühlte drei Euro pro Stunde waren irgendwie doch zu wenig – aufwändiger Lebensstil, Sie verstehen.

Aber die Erfahrung, morgens um sieben auf einem Acker zu stehen, wechselnd frische Salatköpfe und frisches Morgenrot im Blick – es war eine sehr schöne Erfahrung. Sogar die Erschöpfungsschmerzen am Abend haben etwas für sich. Wahrscheinlich hab ich nie mehr so gut, fest, tief geschlafen, wie zu meiner Zeit als Primärproduzent.

Sie fragen sich vielleicht, warum einer Gärtner lernt, der gar nicht als Gärtner arbeiten will, trotzdem aber das Gärtnerdasein sehr lobt. Wenn Sie mit 17 vom Gymnasium fliegen, dann können sie drei Wege einschlagen: Nach Indien reisen oder auf die Realschule, und später mittels zweitem Bildungsweg das Abitur ranschaffen und doch noch studieren. Oder aber Sie machen etwas Anständiges. So hieß das doch früher, oder? Also: Metzger, Kfz-Mechaniker, Gärtner. Als Frau: Metzgereifachverkäuferin oder Arzthelferin.

Ich hab mich damals eben für die Gärtnerei entschieden, schließlich konnte und wollte ich nicht Metzgereifachverkäuferin werden, schon weil ich nicht Inge heiße.

Heute ist das alles anders, erfreulicherweise. Sie können als Mann, auch wenn Sie nicht Inge heißen, trotzdem hinter der Wursttheke stehen, und als Frau können Sie eben Karriere als Kfz-Mechatronikerin machen. Oder aber, Sie fliegen mit 17 vom Gymnasium, reisen nach Indien, machen dann eine Ausbildung, sandeln danach Jahre lang rum, studieren schließlich, obwohl Sie gar kein Abitur haben. Und werden Journalist.

Artikel vom 07.09.2006
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