Der EHC verliert sein erstes Pflichtspiel, wird aber dennoch gefeiert

Niederlage - welche Niederlage?

Die Fans jubeln, obwohl der EHC verloren hat. Aber immerhin haben sie ein gut aufgestelltes Münchner Team gesehen. Foto: mh

Die Fans jubeln, obwohl der EHC verloren hat. Aber immerhin haben sie ein gut aufgestelltes Münchner Team gesehen. Foto: mh

So laut war es lange nicht mehr in der Eishalle am Oberwiesenfeld: „Wir wollen die Mannschaft sehen“, schallte es 2.300-fach durchs Rund, die Fans sprangen auf und ab und sangen sich die Kehlen wund. So kam es zu einer sehr seltenen Situation im Profisport: eine klar besiegte Mannschaft kehrte für zwei (!) Ehrenrunden zurück aufs Eis, und die Fans jubelten noch Minuten nach Abpfiff, als hätte der EHC München die zweite Runde beim Kampf um den Deutschen Eishockey-Pokal erreicht.

Die Nürnberger Schlachtenbummler indes hatten diesem Treiben nichts entgegenzusetzen und verharrten konsterniert in ihrer Kurve. Eigentlich jedoch hatten sie gewonnen. Das Feiern übernahmen aber die EHC-Fans. Doch bleiben wir chronologisch.

Natürlich hatte man am Anfang tief gestapelt. Dieses Pokalspiel dürfe man auch verlieren, hatte Cheftrainer Gary Prior im Vorfeld der Partie gegen die DEL-Mannschaft aus Nürnberg verkündet. Widersprochen hatte niemand, insgeheim aber hatten die Fans schon gehofft, den großen Rivalen aus Nürnberg überraschen zu können.

Die fränkischen Ice Tigers stellten jedoch bereits in den ersten Minuten ihre mannschaftliche Klasse unter Beweis und kamen zu jeder Menge Tor-Chancen. Begünstigt wurden die Nürnberger Angriffsbemühungen durch die überaus richtliniengetreue Regelauslegung des Schiedsrichtergespanns. Ehe man sich versah, nahmen die EHC-Cracks auf der Strafbank Platz, was die Fans mit wütenden Sprechchören in Richtung der Männer in Schwarz quittierten. Überhaupt die Nordkurve: bereits zu Beginn des Spiels setzte sie eine deutliche Duftmarke. Ein Transparent mit den Worten „Sinupret statt Tradition? Prostitution in einer neuen Dimension?“ ließ erkennen, was die traditionsbewussten EHC-Fans vom neuen Sponsor der Franken hielten. „Heute schnupfen wir euch weg“, skandierte eine weitere Schriftrolle. Ein frommer Wunsch, denn die Nürnberger, Verzeihung, die Sinupret Ice Tigers wurden ihrer Favoritenrolle gerecht und zogen mit einem ungefährdeten 0:5 in die zweite Rundes des DEB-Pokals ein.

Doch das Ergebnis erzählt nur die halbe Wahrheit. Über weite Strecken machte es der EHC seinem Gegner sehr schwer, stand dicht bei den Männern und zeigte vor allem in den ersten Unterzahlsituationen eine stabile Abwehrleistung. Besonders Harti Wild bestätigte seine herausragende Form aus den Testspielen und brachte die DEL-Stürmer ein ums andere Mal mit blitzschnellen Reflexen an den Rand der Verzweiflung. Der EHC spielte exzellentes Eishockey, das sah auch Benoit Laporte, Trainer der Sinupret Ice Tigers: „Wir sind sehr froh, dass wir dieses Spiel gewonnen haben. Der EHC ist eine sehr starke Mannschaft. Für mich ist sie sogar die beste Mannschaft der zweiten Liga.“

Nach vorne jedoch konnten die Priors Mannen nie den Druck aufbauen, der eine ausgefuchste Verteidigungslinie bezwingen könnte. Und unterm Strich haben die Nürnberger, Verzeihung, die Sinupret Ice Tigers, die komplettere Leistung abgeliefert und verdient gewonnen. Dennoch war vor allem das dritte Drittel zu einem wahren Triumphzug der Münchner geraten: Es schien, als würden die ausgelassen feiernden Fans jedes Gegentor als weiteren Ansporn begreifen, die eigene Mannschaft nach vorne und die gegnerischen Fans in Grund und Boden zu brüllen. „Es ist natürlich unglaublich, wenn die Fans nach einer solchen Niederlage weiter feiern“, versucht Prior die Szenen nach dem Schlusspfiff zusammenzufassen. „Vor allen unsere jungen Spieler waren davon überrascht. Aber natürlich freuen wir uns sehr darüber und hoffen, dass die Fans in der Saison weiter so viel Spaß an der Mannschaft haben.“ Zufrieden könne er als Trainer mit dem Ergebnis jedoch nicht sein, doch seine Mannschaft habe ihm über weite Strecken sehr gut gefallen. „Man konnte sehen, dass wir mithalten können.“ Die Fans sahen das ähnlich. Erst eine halbe Stunde nach Spielende leerten sich die Ränge und mehr als 2.000 glückliche EHC-Fans gingen nach Hause. Oder in die Kneipe. Um die Niederlage zu feiern. Oder um einen Sieg vorzufeiern: Am vergangenen Sonntag bestand der EHC den ersten Test gegen einen Liga-Konkurrenten und schlug Landsberg auswärts mit 7:1. Bevor nun am 15. September die Liga beginnt, stehen noch letzte Testspiele an: Das erste am Dienstag dieser Woche auswärts gegen Regensburg (das Ergebnis stand zum Redaktionsschluss noch nicht fest), am Freitag auswärts gegen die Vienna Capitals. Und die Revanche gegen ebendiese am Sonntag ab 18.30 Uhr am Oberwiesenfeld. Daniel Köhler

Artikel vom 04.09.2006
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...