Tuncay Acar steht beim „FreitagsDingDong“ der „Glocke“ hinterm Herd

München - „Mamas sind die besten Kochlehrer“

Tuncay in der Küche: „Die Bürger sind nicht sehr experimentierfreudig.“ Am liebsten essen sie bodenständig. Foto: Privat

Tuncay in der Küche: „Die Bürger sind nicht sehr experimentierfreudig.“ Am liebsten essen sie bodenständig. Foto: Privat

Die Geschichte ihrer Koch-Karriere klingt etwa so wie die mit der Jungfrau und dem Kind: Vor zweieinhalb Jahren wollten Tuncay Acar und sein Kollege Michael Reinhold im Bürgerhaus Glockenbachwerkstatt in der Blumenstraße 7 Konzertabende veranstalten – das wöchentliche „FreitagsDingDong“, unter ihren Künstlernamen Funky Flyman und Mike Burn.

Eine schöne Idee – sagten die Verantwortlichen des gemeinnützigen Trägervereins der „Glocke“, allerdings mit einem kleinen Schönheitsfehler: Zu einem offenen und unkommerziellen Bürgerhaus gehöre es, den Besuchern jeden Abend gutes und günstiges Essen aufzutischen. Wenn der Konzertabend mit einer entsprechenden Bewirtung beginnen würde, stünde dem „FreitagsDingDong“ allerdings nichts im Wege.

Tuncay hat nicht lange gezögert, er kocht ohnehin leidenschaftlich gerne. Und so bietet der Musiker und Koch seither jeden Freitag ab 19 Uhr Essen in der Glockenbachwerkstatt an. Gerne mal Exotisches wie Tandoori Fischstäbchen – frei nach Punk-Koch Stefan Marquard. Aber freilich auch Gutbürgerliches: „Die Bürger sind nicht sehr experimentierfreudig. Am besten geht Bodenständiges wie Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat“, sagt er mit leichtem Bedauern. „Dabei könnte man es sich bei den günstigen Preisen von 4 bis 7 Euro leisten, mal was Anderes auszuprobieren.“

Das Kochen hat der 37-Jährige von seiner Mutter gelernt – „Mamas sind die besten Kochlehrer“. Die Rezepte für die Ding-Dong-Küche sammelt er überall: „Immer, wenn ich in Wartezimmern sitze, lese ich Frauenzeitschriften“, sagt er. Und kombiniert dann die Rezepte aus der „Brigitte“ mit Rezepten aus seinem Hinterkopf.

Wenn Tuncay nicht in der Glockenbachwerkstatt zu Gange ist, arbeitet er als freiberuflicher Musikveranstalter, Programmierer, Graffitikünstler oder mit seiner „Monster Funk“-Band „Homo Super Sapiens“. „Ich bin zu vielseitig interessiert, eine Aufgabe reicht mir nicht“, sagt er. Und vielseitig ist auch das Programm bei den FreitagsDingDongs, denn Tuncay und seinem Kompagnon Mike Burn ist es wichtig, dass in der Glockenbachwerkstatt Musiker jeder Couleur auftreten dürfen: schließlich soll hier der Geschmack möglichst vieler Bürger getroffen werden.

Was der Koch-Künstler übrigens besonders an der Glockenbachwerkstatt schätzt, ist, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen Münchner Clubs „weder fassadenlastig, noch stylisch oder todschick“ ist: „Hier geht’s darum, dass sich jeder wohlfühlt, die familiäre Atmosphäre ist wichtig.“ Anderswo, bemängelt er, würden die Menschen nur zum Konsumieren angestiftet. In der „Glocke“ hingegen könnten sie mitgestalten, in Kreativwerkstätten basteln oder sich als Künstler präsentieren.

Privat übrigens steht Tuncay seit seinem Engagement in der Glockenbachwerkstatt nicht mehr so gern am Herd: „Einmal die Woche für so viele zu kochen – das reicht“, sagt er. „Privat geh ich inzwischen lieber essen. Und schau im Restaurant ganz bewusst, wie andere Köche ihre Gerichte zubereiten.“ Und genießt es inzwischen viel mehr als früher, bekocht zu werden – „weil ich weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt.“ Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 31.08.2006
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