»Tatzelwurm« wird komplett neu gebaut – Anwohner fürchten Verkehrsinfarkt

Münchner Norden · »OP am offenen Herzen«

Zum Sehen, Hören und Riechen: Johannes Singhammer, Dr. Ludwig Spaenle, Georg Schmid und Paul Lichtenwald (v.l.) beim Ortstermin in Freimann.Foto: gf

Zum Sehen, Hören und Riechen: Johannes Singhammer, Dr. Ludwig Spaenle, Georg Schmid und Paul Lichtenwald (v.l.) beim Ortstermin in Freimann.Foto: gf

Münchner Norden/Freimann · Wer an der Kreuzung Situlistraße/Leinthalerstraße steht, merkt es sofort. Als gestern Mittag Georg Schmid, Staatssekretär des Bayerischen Innenministeriums, auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Johannes Singhammer und des Landtagsabgeordneten Dr. Ludwig Spaenle, zu einem Ortstermin über die bevorstehende Sanierung des »Tatzelwurms« dort standen, konnten es alle Beteiligten sehen, hören und riechen: »Das ist die wohl am stärksten belastete Autobahnbrücke in ganz Deutschland«, fasste Schmid seine Eindrücke zusammen.

100.000 Fahrzeuge rattern täglich über die baufällige Konstruktion, die 1960 fertiggestellt wurde. In Spitzenzeiten bis zu 140.000 sogar. Das hinterlässt Spuren.

Auch die waren deutlich zu sehen: »Die Stahlgerüste neben den Stützpfeilern sind notwendig geworden, nachdem sich die Brücke an diesen Stellen durchbog«, erklärte Paul Lichtenwald, Präsident der Autobahndirektion Südbayern, beim anschließenden Informationsgespräch in der Autobahnmeisterei Freimann. Dort erklärte Lichtenwald die einzelnen Phasen des 37 Millionen Euro teuren Bauvorhabens »BW 140, Rück- und Neubau Hochbrücke Freimann«. Der Beton aus den 50er Jahren hat Risse bekommen, die Stahlanteile sind verrostet und die Korrosionsschäden der Salzstreuungen machen eine Instandsetzung »wirtschaftlich nicht möglich«, so Schmid. »Die Standsicherheit ist zwar noch gegeben, aber es muss jetzt gehandelt werden.«

Am 1. Mai 2007 geht’s los und in Phase 1 wird aus einer Autobahn zwei gemacht, so Lichtenwald. »Die Brücke wird auf einer Länge von 585 Metern in der Fahrbahnmitte getrennt.« Danach werde zunächst die östliche (November 2007 bis Oktober 2008) und danach die westliche Fahrbahn (November 2008 bis Oktober 2009) abgetragen und neu aufgebaut. Der Autobahnverkehr fließt über die jeweils bestehende Hälfte. Im April 2010 soll der neue »Tatzelwurm« fertig sein. Bis dahin brechen harte Zeiten an für die Anwohner in Freimann. Denn mit den Fahrbahnen werden auch die jeweiligen Auffahrrampen zum Frankfurter Ring (erst die östliche, dann die westliche) für jeweils zehn Monate verschwunden sein. Der anfallende Verkehr, der dort auf die Autobahn fahren sollte, wird in dieser Zeit überwiegend über eine auf zwei Spuren erweiterte B11 abgeleitet. Dies hätte zur Folge, dass vereinzelt ein bis zu achtfach höheres Verkehrsaufkommen auf der Umleitungsstrecke entstehen kann, rechnete Lichtenwald.

Am meisten besorgt sind die Anwohner daher vor allem über den »Schleich- und Sickerverkehr«, der womöglich auch die letzte Seitenstraße verstopfen könnte.

»Ich versuche heute wahrscheinlich alle Probleme der Stadt München zu lösen«, konterte der Moderator Schmid die Katastrophenszenarien einzelner Anwohner (»Und was wenn ein großer Unfall alles lahmlegt?«) aus. »Doch eine feste Lösung für jede Seitenstraße wird es nicht geben«, so Schmid. Stattdessen verwiesen er und Lichtenwald immer wieder darauf, dass die Mehrbelastung auf 20 Monate begrenzt sei. »Der Münchner Norden ist das Herzstück der Bayerischen Verkehrsadern«, meinte Singhammer in seinem Schlusswort nach zweistündiger Diskussion um die Verkehrsängste während des Brückenbaus. »Dieser Neubau ist sozusagen eine Operation am offenen Herzen.« Auf dem Heimweg hatte mancher wohl eher das Bild vom drohenden Verkehrsinfarkt vor Augen. G. Feind

Artikel vom 29.08.2006
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