Immer mehr Wildtiere fühlen sich in Schwabing wohl: wo es Probleme gibt

Schwabing · Betonwüste als Biotop

Wildtierparadies Stadt: Besonders Füchse leben in München, etwa im Englischen Garten. Thomas Köster zeigt einen Fuchsbau am Kleinhesseloher See.Foto: ks

Wildtierparadies Stadt: Besonders Füchse leben in München, etwa im Englischen Garten. Thomas Köster zeigt einen Fuchsbau am Kleinhesseloher See.Foto: ks

Schwabing · Fuchs und Hase sagen sich schon länger nicht mehr nur in Wald und Flur Gut Nacht – immer mehr Wildtiere fühlen sich mitten in Schwabing pudelwohl. Vor allem in Grünanlagen wie dem Englischen Garten, auf der Autobahnauffahrt zur A9 an der Schenkendorfstraße, aber auch auf Brachflächen wie dem Domagkgelände haben etwa Kaninchenkolonien ein Zuhause gefunden.

Außerdem vereinzelt Rehe, Biber und vor allem Füchse. Die besuchen gern die Kleingärten zwischen Englischem Garten und Ungererstraße – angelockt von Milchschalen für Igel. »Es gibt in ganz Deutschland nicht so viele Igel, wie in München gefüttert werden«, erklärt Dr. Andreas König, Wildbiologe der Technischen Universität Weihenstephan. »Doch das zieht Füchse an, und die können eine reale Gesundheitsgefährdung sein, denn immerhin zwölf Prozent sind vom Fuchsbandwurm befallen.« Die Tiere scheiden den Bandwurm, der beim Menschen schwere Leberschäden hervorrufen kann, mit dem Kot aus. Ansteckungsquelle sind bodennah wachsende Pflanzen wie der beliebte Bärlauch oder Pilze.

Entwarnung kommt von Thomas Köster, Verwaltungsleiter des Englischen Gartens: »Im Münchner Norden gibt es keinen Fuchsbandwurm, im Süden sieht die Situation schon anders aus.« Sorgen macht sich Köster um das heimische, meist fuchsfarbene oder dunkle »Oachkatzl«, das im Englischen Garten vom aggressiveren amerikanischen Grauhörnchen verdrängt wird. Und wer sich schonmal gewundert hat, dass sich rund um den Chinesischen Turm kein einziger frecher Spatz mehr tummelt – die haben die Rabenkrähen auf dem Gewissen. »Die Allesfresser vertilgen den Biergarten-Müll – und wenn es zwei Wochen ununterbrochen regnet, dann halt die Spatzen.« Konflikte zwischen Wildtier und Mensch gibt es allerdings in München bisher nicht.

Von einer Plage wie Wildschweinrotten in Berliner Gärten oder Waschbärenrudel, die in Kassel Mülltonnen plündern, kann hier noch keine Rede sein. »Auf den 200 Hektar öffentlichen Grünflächen der Stadt existiert kein Wildtierproblem«, sagt Jürgen Marek vom Gartenbaureferat. »Kaninchen etwa halten sich meist in Gehölzflächen auf und stellen somit keine Gefahr dar. Die wenigen Löcher, die sie in den Grünanlagen graben, werden beiläufig von der Grünanlagenaufsicht geschlossen.«

Nur einmal wäre beinahe ein Unglück passiert: »Am Gasteig haben Kaninchen einen Baum unterhöhlt, der daraufhin umgefallen ist. Aber niemand wurde verletzt«, erzählt Marek. »Dass es in der Stadt immer mehr Wildtiere gibt, die ja von Natur aus Menschen meiden, liegt an den optimalen Bedingungen und auch an der steigenden Toleranz der Menschen für sie«, sagt Wildbiologe König. Flurbereinigte Ackerflächen, exzessiver Spritzmitteleinsatz oder Fichten-Monokultur böten den Tieren auf dem Land keinen optimalen Lebensraum mehr – den fänden sie in einer Stadt wie München mit seinen großen Grünanlagen, der Isar, den »Steinwüsten«, »Felswänden« und Höhlen in Bäumen. Hier gebe es zudem kaum Feinde und Nahrung in Hülle und Fülle.

So werden die urbanen Betonwüsten zunehmend zum Biotop mit einer höheren Artenvielfalt als auf dem Land. K. Schubert/M. Schmid

Artikel vom 29.08.2006
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