Wer an Münchens lautesten Straßen wohnt, muss sich (noch) selbst gegen das Dauer-Getöse schützen

München - Viel Lärm um nichts?

70 Prozent der Deutschen fühlen sich häufig von Lärm belästigt – vor allem von Straßenlärm.	Foto: pixelquelle

70 Prozent der Deutschen fühlen sich häufig von Lärm belästigt – vor allem von Straßenlärm. Foto: pixelquelle

Als Oberbürgermeister Christian Ude seine persönliche WM-Bilanz zog, sagte er einen überraschenden Satz: Während der WM, so Ude, hätten sich weniger Anwohner der Leopoldstraße aufgrund der Lärmbelästigung beschwert als sonst. Nun muss man wissen, dass diese Bewohner Großereignisse, laute zumal, gewohnt sind. Aber natürlich ist irgendwann auch für diese Menschen die Schmerzgrenze erreicht.

Während der WM lag diese allerdings sehr hoch – obwohl die feiernden Fans eine Geräuschkulisse aufgebaut hatten, die nicht einmal ein startender Jumbojet erreicht. Eine andere Erklärung hatte Ude: „Diejenigen, die sich sonst über den Lärm beschwert hätten, haben selbst mitgefeiert.“

Es ist ein Kreuz mit dem Lärm: Rund 70 Prozent aller Deutschen fühlen sich einer Umfrage des Bundesumweltministeriums zufolge häufig oder andauernd von ihm belästigt. Besonders störend empfinden sie Straßen- und Schienenverkehr, aber auch Gewerbe-, Industrie- und Baulärm sowie Nachbarschafts- und Freizeitlärm. Allerdings: Lärm ist nicht gleich Lärm – nicht immer fühlen sich Menschen gestört, wenn es laut wird. Die von der „Fördergemeinschaft Gutes Hören“ aufgestellte Definition für Lärm lautet: „Lärm sind Geräusche, die einem nicht gefallen, deren Notwendigkeit man nicht einsieht und auf die man keinen Einfluss nehmen kann.“

Hupende Autocorsos nach einem Sieg der deutschen Nationalmannschaft können also so als angenehm empfunden werden; wenn aber Italiener den Halbfinalsieg über Deutschland feiern, sieht die Sache anders aus. Genauso, wenn die ganze Nacht über Trambahnen unter dem eigenen Schlafzimmerfenster vorbeifahren oder Nachbarn eine Party feiern, zu der man nicht eingeladen ist. Die gleichen Menschen, die nachts mit Freunden laut lachend durch die Straßen ziehen, können sich am nächsten Tag von anderen, die genau dasselbe machen, gestört fühlen.

Die Stadt München hat vor einigen Jahren das so genannte Umwelttelefon eingerichtet. Münchner, die sich über übermäßig laute Nachbarn, Partys, Laubbläser, Rasenmäher, Klimaanlagen oder Musik beschweren wollen, wählen die Nummer 233 66 66. Die Hotline ist „gleichzeitig Beschwerde- und Ratgeberstelle“, sagt eine Mitarbeiterin. Im Sommer würden schon mal zehn Anrufe am Tag eingehen, im Winter tendenziell etwas weniger.

Viel helfen können die Mitarbeiter des Umwelttelefons indes nicht: „Wir verweisen meistens auf die Lärm-Immissionsverordnung oder auf Broschüren. Da steht drin, was man darf und was nicht“. Diese könne man sich auch abholen und dann beispielsweise dem störenden Nachbarn in den Briefkasten werfen. „Oder diesen direkt ansprechen. Das hilft meistens am besten“. Ansonsten würden die Mitarbeiter des Umwelttelefons Beschwerden über zu laute Veranstaltungen oder gastronomische Betriebe an das Kreisverwaltungsreferat weiterreichen. Während der WM sind die Beschwerden, die die Umwelttelefonmitarbeiter erreicht haben, übrigens nicht zurückgegangen: „Es gab zwar kaum Beschwerden wegen der WM, aber über laute Nachbarn haben sich genau so viele geärgert wie sonst“.

Eine weitere, weit verbreitete Möglichkeit, sich über laute Nachbarn zu beschweren, ist: die örtliche Polizeiinspektion zu informieren. Diese schickt anschließend ein paar Beamte beim Lärmverursacher vorbei – und weist ihn zurecht. Wer allerdings an viel befahrenen Straßen wohnt, ist bei der Polizei an der falschen Stelle. Da hat man den Lärm zu ertragen, kann sich schall-isolierte Fenster einbauen – oder muss umziehen.

Allerdings bemüht sich die Stadt, hier Schritt für Schritt zu helfen: Im Jahr 2005 ist ein Lärmminderungsplan für München eingeführt worden. Hierfür wurden zunächst vorhandene und zu erwartende Lärmquellen in Wohngebieten erfasst und in so genannten Beurteilungs-Pegel-Plänen dargestellt. Die Flächen, in denen die Lärmpegel die zulässigen Grenzwerte überschreiten, wurden in „Konfliktpläne“ eingetragen. Aufbauend auf diese soll nun ein Maßnahmenkatalog erstellt werden, der helfen soll, Lärm in den betroffenen Gegenden zu vermindern.

Münchens lauteste, bewohnte Straßen sind demnach die Wohngebiete rund um die Lindwurmstraße, die Großmarkthalle, den Olympiapark, den Innsbrucker Ring und die Brudermühlstraße. Hier wurden selbst nachts Lautstärkepegel von weit über 80 Dezibel gemessen. Wer regelmäßig einer Lautstärke von 85 Dezibel ausgesetzt ist, riskiert gesundheitliche Schäden.

Und die haben es in sich: Es drohen nämlich unter anderem dauerhafte Beeinträchtigungen des Gehörs, außerdem Schlafstörungen, übermäßiger Stress sowie ein erhöhtes Herzinfarktrisiko. Besonders anfällig für lärmbedingte Krankheiten sind übrigens – neben älteren Menschen und Kindern – starke Raucher.

Artikel vom 03.08.2006
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