Wie sich die Frauen der Kirchenbücherei für die Tradition des Lesens einsetzen

Oberföhring · Der Kampf fürs Lesen

Kurz vor den Sommerferien ist der Andrang in der Bücherei der Vaterunser-Kirche besonders groß: Jede Kindergartengruppe möchte noch einen Termin zur Vorlesestunde bei Hannelore Speiser ergattern.	Foto: ak

Kurz vor den Sommerferien ist der Andrang in der Bücherei der Vaterunser-Kirche besonders groß: Jede Kindergartengruppe möchte noch einen Termin zur Vorlesestunde bei Hannelore Speiser ergattern. Foto: ak

Oberföhring · Das Licht geht aus, alle Blicke sind gespannt auf die weiße Leinwand gerichtet. Das Bilderbuchkino in der Vaterunser-Kirche kann losgehen. Sobald das erste Dia auf der Leinwand zu sehen ist und Hannelore Speiser beginnt »Für Hund und Katz ist auch noch Platz« vorzulesen, herrscht absolute Ruhe.

Erst als die engagierte Mitarbeiterin in die Runde der Kindergartenkinder fragt, wer denn genauso wie die Hauptfigur der Geschichte ein Haustier zu Hause hat, kehrt das Geplapper in die Räume der Bibliothek am Fritz-Meyer-Weg zurück. »Wir versuchen die Kinder in die Geschichten mit einzubeziehen, so lernen sie am meisten«, weiß Speiser.

Schon seit 1967 gibt es die Bücherei in der evangelischen Vaterunser Gemeinde. »Die Konfession spielt bei uns keine Rolle«, berichtet die langjährige Leiterin der Bibliothek Doris Meister, »weil wir ein ökumenisches Projekt sind – auch die Gemeinde St. Thomas beteiligt sich finanziell und personell an der rund 10.000 Medien fassenden Gemeindebücherei.« Und die Personalstärke der Kircheneinrichtung ist beträchtlich.

Insgesamt 25 Frauen arbeiten ehrenamtlich bis zu 20 Stunden pro Woche für die Bücherei. »Wir haben wirklich sehr viel zu tun. Insgesamt betreuen wir 18 Kindergartengruppen und rund 20 Grundschulklassen, da sind wir ständig auf Achse«, berichtet Meister. Denn die freiwilligen Helferinnen fahren mit ihren Bücherkisten auch in die Kindergärten und Schulen, lesen dort vor und ermöglichen den Kindern die Ausleihe von Büchern. »Gerade Kindern mit Migrationshintergrund, denen zu Hause oftmals gar nicht vorgelesen wird, helfen unsere Geschichten, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern«, weiß Meister. »Außerdem lernen sie sich zu konzentrieren und ihre Phantasie wird angeregt«, berichtet auch Speiser.

Dass in der heutigen Zeit immer mehr Kinder Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben, führt Meister darauf zurück, dass Fernsehen und Computer bereits im Kindergarten den Stellenwert von Büchern zurückdrängen. Daher sei ihre Arbeit in den letzten Jahren sogar noch wichtiger geworden. »Bei uns bekommen viele Kinder erstmals die Chance, sich Bücher auszuleihen und lernen, dass nicht nur der Gameboy, sondern auch ein schönes Buch Spaß machen kann«, so Meister.

Aber was motiviert die Frauen schon über zehn Jahre einen großen Teil ihrer Freizeit den Kindergarten- und Grundschulkindern des Münchner Ostens zu widmen? Beide sind sich einig: »Wenn man schon so lange dabei ist, wie wir zwei, sind die schönsten Momente die, wenn ehemalige Schützlinge mit ihren eigenen Kindern vorbeikommen, um sich Bücher auszuleihen.«

Artikel vom 02.08.2006
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...