Die MVG will Schwabinger Stänkerern ein Schnippchen schlagen: Eine Linie ohne Oberleitung soll täglich 20.000 Münchner durch den Englischen Garten befördern

Englischer Garten - Der Tram-Traum

MVG-Chef Herbert König träumt von einer Tram durch den Englischen Garten. Er hofft, durch gute Argumente alle Kritiker von seinen Plänen überzeugen zu können. Foto: nan

MVG-Chef Herbert König träumt von einer Tram durch den Englischen Garten. Er hofft, durch gute Argumente alle Kritiker von seinen Plänen überzeugen zu können. Foto: nan

Es ist eine unendliche Geschichte: Bereits seit dem Jahr 1901 existieren Pläne für den Bau einer Trambahnstrecke durch den Englischen Garten. Seit einem Jahrhundert wird regelmäßig darüber gestritten, Pro und Contra werden auf die Waage gelegt – bislang stets mit dem gleichen Ergebnis: der Freistaat Bayern, Hausherr von Münchens grüner Lunge, winkt ab.

Doch jetzt könnte sich die Gegenseite doch noch durchsetzen, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), denn mittels einer neuen Technik sollte es bald möglich sein, Trambahnen ohne Oberleitung durch den Englischen Garten fahren zu lassen – der Strom kommt dabei aus der Batterie.

Das Argument des ewig nörgelnden Freistaats, Tramleitungen würden das Landschaftsbild stören, wäre somit passé. Man darf also gespannt sein: Vielleicht werden die Trambahn-Pläne nach über 100 Jahren endlich glücklich realisiert.

Eigentlich geht es nur um einen Kilometer Gleise – diskutiert wird aber, als ginge es um die Verkehrssituation der ganzen Stadt: Die Diskussion um die Tram durch den Englischen Garten ist zum Politikum geworden. Sie wurde „unsachlich“, wie es MVG-Chef König diplomatisch ausdrückt. Vor allem zahlreiche Neu-Münchner waren im Zuge der Tram-Planungen laut geworden und hatten eifrig Flugblätter verteilt und Unterschriften gegen die Tram gesammelt.

Natürlich geht es in Wahrheit um mehr als den einen Kilometer durch den Englischen Garten – der ja sowieso auf dem jetzt schon geteerten Weg verläuft. Die gesamte Strecke soll von der Nordendstraße über die Franz-Josef- zur Königinstraße und von dort durch den Englischen Garten bis zur Oettingen- und Tivolistraße verlaufen – in den Planungsunterlagen heißt das „Tram Nordtangente“. Die Überlegung der MVG: Mit dieser Verbindung kommen die Leute schneller von Neuhausen über Schwabing bis Bogenhausen. Und auch die Fahrgäste begrüßen eine solche Strecke, so dass Ergebnis einer MVG-Studie: 20.000 Münchner würden eine solche Linie nutzen, 2.000 würden hierfür sogar vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen – pro Tag, wohlgemerkt. Denn sie könnten sich damit Umwegfahrten über die Innenstadt sparen; gleichzeitig würde die Tram die bisherigen Buslinien durch den Englischen Garten ersetzen. Die Strecke schnitt auch bei der Kosten-Nutzen-Analyse mit dem Wert 2,44 hervorragend ab. Die Zahl bedeutet, dass durch jeden investierten Euro ein volkswirtschaftlicher Nutzen von 2,44 Euro entsteht.

Aufwendig zu realisieren wäre dieses Projekt nicht: Sechs Gleiskilometer dieser angedachten „Linie 22“ nämlich existieren bereits. Was zum Lückenschließen fehlt, sind zwei Gleiskilometer, einer davon durch den Englischen Garten – und, was um einiges schwieriger zu realisieren ist, grünes Licht vom Freistaat, der seit der Ära des Finanzministers Kurt Faltlhauser (CSU) vehementer denn je zuvor gegen das Projekt protestiert. Bis Mittwoch dieser Woche sah es denn auch nicht allzu rosig aus für die MVG-Pläne: Bayerns Regierung hatte den Antrag der MVG auf eine Planfeststellung der Tramstrecke abgelehnt. Obendrein wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 30. März diesen Jahres die Klage der MVG gegen diesen Bescheid ab.

Jetzt aber überrascht die MVG: Statt weiter den Gerichtsweg zu beschreiten, beschloss die Verkehrsgesellschaft in dieser Woche, ihren Planfeststellungsantrag zurückzunehmen. „Dadurch werden die bisherigen ablehnenden Bescheide der Regierung und des Verwaltungsgerichtshofs gegenstandslos“, wie MVG-Chef Herbert König erklärt. Das heißt: er will sich kein definitives „Nein“ abholen – „realistischerweise wäre damit das Projekt für mindestens eine Generation verloren“.

Stattdessen hat König einen Plan B in der Schublade: „Die bisherige Ablehnung wurde ganz wesentlich damit begründet, dass sich die Oberleitung einer Trambahn negativ auf das Landschaftsbild des Englischen Gartens auswirken könnte“, sagt er. „Neue Techniken aber ermöglichen vermutlich schon bald, dass man bis zu einem Kilometer weit – also auch die Strecke durch den Englischen Garten – ohne Fahrleitung zurücklegen kann.“ Dies wäre durch spezielle Stromspeicher-Verfahren möglich – „derartige Entwicklungen laufen auf Hochtouren und sind unserer Meinung nach eine Grundlage für eine neue, hoffentlich sachliche Diskussion“, so König, „und, wenn der Stadtrat dies wünscht, auch für ein neues Planfeststellungsverfahren mit entsprechend geänderter Planung.“

All dies ist bislang nur eine Idee – wenn auch eine vielversprechende: Anfang 2009 könnten erste Trams mit entsprechender Technik ausgestattet werden, so König. „Dann müsste die Technik erste Tests durchlaufen – wir müssten beispielsweise klären, wie aufwendig und wie wirtschaftlich die Umstellung einiger Trambahnzüge auf diese Technik wäre.“

Auch in einem weiteren Punkt könnte die Zeit übrigens für den Tramstreckenbau sprechen: Im Jahr 2009 sitzt Finanzminister Faltlhauser möglicherweise nicht mehr auf seinem Stuhl, ein Jahr zuvor sind Landtagswahlen. Auf solch ein Gedankenspiel lässt sich König nicht ein: „Wir arbeiten an der neuen Technik und werden sie in wenigen Jahren vorstellen. Wer dann bei den Verhandlungen am Tisch sitzt, wird sich zeigen.“ Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 20.07.2006
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