Albrecht Ackerland über Urlaub

„Da schau her“

Seit Wochen geht das schon wieder so: „Wohin fährst in Urlaub? Was, du bist noch in München?“ Ja, es ist Reisezeit. Und, ja: Erst in einer Woche beginnen die Schulferien. Dann geht das Urlauben erst richtig los.Es ist mir die liebste Zeit im Jahr. München, im Sommer: im Idealfall Hitze, Biergarten immer. Das Schönste aber ist die ausgestorbene Stadt. Ein paar Touristen sind vielleicht noch unterwegs. Das war’s. Alle sind auf Malle. An der Costa. Am Lido oder am Garda.

Ich dagegen bleibe meistens da. Eigentlich sollte jeder, der mich kennt, wissen, dass ich selten in Urlaub fahre. Eigentlich gar nicht. Denn ich bin der Meinung: Wer Urlaub braucht, hat etwas falsch gemacht. Wer unbedingt, ja, zwanghaft wegfahren muss, der lebt offenbar am falschen Ort.

Gut: auch ich muss mich manchmal erholen oder will München ein paar Tage nicht sehen. Dann reise ich. Weil ich aber wahrscheinlich zu feige bin, einmal wirklich monatelang durch den afrikanischen Busch zu ziehen, fahre ich immer nur nach Wien. Ich sag’s Ihnen: Wien im Sommer ist ein Traum, fast noch traumhafter als der Münchner Sommer. Ein Abend beim Heurigen in Grinzing mit zwei bis vier Flaschen Wein und Wolfgang Ambros – da kann mich kein Sonnenuntergang in der Karibik und keine Full-Moon-Party in Südostasien weglocken. Höchstens noch ein Waldfest mit Blasmusik und Volkstanz irgendwo im Münchner Umland. Doch in diesem Sommer wird alles anders. Ich fahre erst zum Balaton und gleich im Anschluss nach Mallorca. Das liegt aber nicht daran, dass ich das Burleske in mir entdeckt habe und geballt an die extremsten Urlaubsorte fahre. Plattensee! Malle!

Die Reisegründe sind andere: Es hochzeitet. Erst lud mich das eine Paar zur Hochzeit in ein verschlafenes Kloster am Ostufer der Baleareninsel – zu Ihrer Beruhigung: Keine Schinkenstraße, kein Mickie Krause, keine nackten Frisösen, kein Sangria-Eimer. Erst Kloster, dann acht Tage wandern. Mallorca soll schön sein, das echte Mallorca, so habe ich’s schon oft gehört. Als dann aber wenig später ein anderes Paar anrief, um mich zum Plattensee einzuladen, da fragte ich mich schon, ob mich eigentlich noch jemand ernst nimmt. Aber gut: Balaton ist gebongt, Kesselgulasch inklusive. Da schenke ich mir nichts.

Nur: Außer Ihnen wird das kaum jemand mitbekommen. Auch weiterhin werde ich auf die Urlaubsfrage meine gut geübte Salve loslassen: „Urlaub brauch ich nicht! Ich hab ja München!“

Artikel vom 20.07.2006
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