Fußball-Bilanz: Hat sich der WM-Aufwand gelohnt?

Der Rest vom Fest

Jubel, Trubel, Heiterkeit: Gut gelaunt wie überhaupt noch nie waren die Deutschen in den letzten vier Wochen – bis Dienstagabend, 119. Minute. Aber selbst nach der Halbfinal-Niederlage sind wir gute Gastgeber: In der traurigen Nacht zum Mittwoch blieb es in München „weitgehend friedlich“, und auch morgen, beim Finale, werden wir ein fröhliches Gesicht aufsetzen. Alles gut also in Fußball-München?

Leider nein: „Unsere Erwartungen an die Weltmeisterschaft sind herb enttäuscht worden. Wir haben zumindest vorübergehend mit tausenden zusätzlichen Stellen gerechnet“, sagte Hans Werner Walzel, Chef der Münchner Arbeitsagentur, vorige Woche in einem Interview.

Im vergangenen Jahr wurde sogar eigens ein „WM-Service“ gegründet, der sich um die Vermittlung von Jobs zur Zeit der Weltmeisterschaft kümmern sollte. Dieser Service allerdings hatte beinahe ebenso wenig zu tun wie arbeitslose Münchner: Lediglich 700 Stellen konnten zur WM-Zeit angeboten werden, alle nur befristet und die meisten nur auf 400-Euro-Basis.

Und nicht einmal die Stadt selbst musste ihr Personal aufstocken: Die Verstärkung, die beispielsweise bei der Straßenreinigung nötig war, wurde vorübergehend anderen Abteilungen abgezogen, so Baureferats-Sprecher Jürgen Marek. Von einem positiven Beschäftigungseffekt, der auch über die WM hinausgeht, kann also keine Rede sein: Wenn überhaupt, dann werde man in der Arbeitslosenstatistik vom Juni eine Belebung des Arbeitsmarktes nur in einer Stelle hinter dem Komma herauslesen können, so Walzel.

Dabei hat zumindest der verkaufsoffene Sonntag die Erwartungen des bayerischen Einzelhandelsverbandes voll erfüllt: „Unsere Rechnung ist aufgegangen: Die Welt war zu Gast in den Geschäften“, wie Sprecher Bernd Ohlmann sagte. WM und Shoppen hätten sich als „Dreamteam“ erwiesen. Und auch der hiesige Biermarkt schäumte über: Der WM-Monat Juni dürfte bayerischen Brauern ein Absatzplus von zehn Prozent eingeschenkt haben, doppelt so viel wie erwartet. Warum aber hatte dies keine Auswirkungen auf die Arbeitslosensituation?

„Weil wir in München wegen des Oktoberfestes und der Biergarten-Saison bereits einen flexiblen Arbeitsmarkt haben: Die Wirte beispielsweise können sich bei einem erhöhten Arbeitspensum kurzfristig selbst helfen“, erklärt Hermann Schmidbartl, WM-Koordinator der Münchner Arbeitsagentur. „Viele haben einen Pool an Arbeitskräften, die sie kurzfristig einspringen lassen – wie viele da zusätzlich arbeiten konnten, bekommen wir im Arbeitsamt nicht mit. Statt neue Kräfte einzustellen, ließen Arbeitgeber zur WM außerdem die vorhandenen Mitarbeiter einfach mal länger arbeiten.“

Auch in der Tourismusbranche waren kaum neue Kräfte nötig: Zwar waren in den vier WM-Wochen insgesamt neun Millionen Übernachtungsgäste in der Stadt; 580.000 von ihnen schliefen allerdings nicht im Hotel, sie kamen bei Freunden und Verwandten unter, wie Else Gebauer vom Tourismusamt vorrechnet. Dennoch ist das Tourismusamt mehr als zufrieden mit der WM: „Unschätzbar ist der globale Werbeeffekt für die Stadt München, denn weltweit wurde bereits im Vorfeld der WM als auch während der letzten vier Wochen über die Stadt berichtet“, sagt die Amtssprecherin. „Die Erwartungen haben sich erfüllt.“

Die Erwartungen der MVG hingegen wurden mehr als übertroffen: Und daher musste MVG-Chef Herbert König am Dienstag sogar die Werbetrommel fürs Fahrrad fahren rühren. Der Andrang auf den kurzfristig eingerichteten Public-Viewing-Bereich auf der Theresienwiese nämlich wäre nicht zu bewältigen gewesen, wären alle Fans öffentlich angereist. „Wenn Wiesn ist, kann man sich auf die Linien U4 und U5 konzentrieren und muss nicht, wie heute der Fall, gleichzeitig die Strecken Olympiapark und Leopoldstraße verstärken“, erklärte ein MVG-Sprecher.

Es seien bereits „Mann und Maus“ im Einsatz, denn bei der MVG herrscht zur WM Urlaubssperre. Dass die Verkehrsgesellschaft allein 44 Millionen Euro in die Ertüchtigung der U 6 gesteckt hatte, habe sich aufgrund der immensen Auslastung mehr als gelohnt: „Weil wir uns fit gemacht hatten, konnten wir alle dreieindrittel Minuten zum Stadion fahren.“ Der Ausbau sei zudem eine Investition in die Zukunft gewesen, meint die MVG: „Eine tüchtige U6 nützt auch beim Andrang bei Champions League- und Bundesligaspielen.“

Die städtische WM-Koordinatorin Henriette Wägerle ist überzeugt, dass auch die Rechnungen ums WM-Drumherum aufgegangen sind: „Günstig und wirkungsvoll“ seien beispielsweise die Imagekampagne „München mag dich“ sowie die städtische Pressearbeit, die Gästeempfänge, das Rahmenprogramm gewesen. Das Budget für all das: 2,4 Millionen Euro – „vermutlich bleibt da sogar was übrig.“ Dafür hat man die Imagekampagne auch kaum zu sehen bekommen.

Teurer als geplant ist wohl dagegen das Fußball schauen geworden: 600.000 Euro hatte der Stadtrat für die Bewachung der Großbildleinwände eingeplant. Doch die Veranstaltungsfläche im Olympiapark – die heuer „Public Viewing“ hieß – reichte nicht aus. Und so wurde der Oly-Fanpark kurzerhand vergrößert, zudem wurde fürs Halbfinalspiel gegen Italien die Theresienwiese in eine Fan-Area verwandelt. „Das kostet natürlich“, so die Münchner WM-Beauftragte Wägerle.

Artikel vom 06.07.2006
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