Was Fans aus aller Welt über Fußball-München denken

München - „Ihr habt schönes Wetter hier!“

Dass wir Sauerkraut und Schweinshaxn mögen, wissen wir selbst. Was unseren Gästen aus aller Welt darüber hinaus bei uns aufgefallen ist, verraten sie im SamstagsBlatt.	 Foto: ff

Dass wir Sauerkraut und Schweinshaxn mögen, wissen wir selbst. Was unseren Gästen aus aller Welt darüber hinaus bei uns aufgefallen ist, verraten sie im SamstagsBlatt. Foto: ff

Sauberkeit. Sauerkraut. Hitler. Oktoberfest. Dichter. Denker. Pünktlichkeit. Neuschwanstein. Bier. Rassisten: Die Welt hat viele Bilder und Klischees über Deutschland und München im Kopf – das glauben wir zumindest. Fußballfans aus aller Herren Länder erzählen im Gespräch mit dem Münchner SamstagsBlatt, was sie wirklich über unser Land und unsere Stadt denken. Die wichtigste Nebensache der Welt ist natürlich auch Thema: der Fußball.

„Darf ich ehrlich sein?“, entgegnet der 21-jährige Ricardo Costa aus Moçambique auf die Frage, was er vor der Weltmeisterschaft über Deutschland gedacht hatte. „Also: Nichts wirklich Gutes. Wir haben vor unserer Reise starken Rassismus befürchtet. Alle Länder haben das Hitlersystem im Kopf. Zu Unrecht: Ich bin überall gut behandelt worden, alle sind sehr freundlich und hilfsbereit. Es ist toll hier – nie hätte ich das erwartet!“ Und daher stört es ihn auch nicht, wenn die Deutschen Flagge zeigen – im buchstäblichen Sinne: „Ich habe von einem Deutschen gehört, dass Ihr zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten mit Euren schwarz-rot-goldenen Fahnen herumlauft – aber das ist doch okay: Da wird ein fröhlicher Patriotismus gefeiert, ein solcher, wie ihn beispielsweise auch Brasilien pflegt“, findet er. „Weiter so: Die Stimmung ist gut!“

Auch sein Freund Mauro Santos aus dem portugiesischen Porto ist Fan der deutschen Freundlichkeit: „Sind hier immer alle so nett – oder ist das nur, weil Weltmeisterschaft ist?“ fragt der 21-Jährige. Ein einziges Mal habe er Ausländerfeindlichkeit erlebt – und zwar vor einer Frankfurter Disco. 20, 30 Deutsche vor ihm in der Reihe durften hinein in den Tanzpalast – bloß bei ihm winkte der Türsteher mit den Worten „Nur für Mitglieder“ ab. Und noch etwas findet Santos eher ungastlich: „Deutschland ist teuer. Besonders München.“

Der 25-jährige Ghanaer Kuuami Amoateng und seine 16-jährige Frau Afia sind ebenfalls mit der Sorge vor Ausländerfeindlichkeit angereist: „Die Medien hatten uns gewarnt: Wir sollten vorsichtig sein“, erzählen sie. Aber auch bei ihnen ist die Stimmung gut: „Alle sind äußerst freundlich, wir fühlen uns absolut willkommen in Deutschland. Es ist sehr schön hier, vor allem in München.“ Selbst in den Stadien herrsche eine friedliche, tolerante Stimmung: „Wir waren in Köln an dem Tag, an dem Ghana gegen Tschechien gewonnen hatte – das werden wir nie vergessen, für unser Land, ja für ganz Afrika hat sich ein Traum erfüllt! Was im Stadion beeindruckend war: die Tschechen haben trotz ihrer Niederlage mit uns gefeiert.“ Dass das Team aus Ghana am Dienstag gegen Brasilien ausgeschieden ist, sei nicht weiter schlimm: „Wir hatten nichts zu verlieren – die Brasilianer dagegen sehr viel. Es war schlicht fantastisch für uns, hier gewesen zu sein.“ Und tatsächlich haben sich die Deutschen besonders über den afrikanischen Achtelfinal-Teilnehmer gefreut, zuletzt zu sehen am Dienstag: Die deutschen Stadionbesucher hatten nicht die recht zahmen Brasilianer gefeiert, sie waren vielmehr fröhlich jubelnd aufgestanden, als es hieß: „Steh auf, wenn du Ghanaer bist!“ Und selbst der meist strahlend blaue Himmel wird den Deutschen gutgeschrieben: „Ihr habt schönes Wetter hier“, loben die Gäste aus Ghana – und grinsen: „Dazu passt das Münchner Weißbier.“

Der 14-jährige Karl Li aus Philadelphia war dagegen überrascht, dass die deutsch-deutsche Mauer komplett verschwunden ist: „Ich dachte, dass noch immer eine unsichtbare Grenze zwischen den alten und den neuen Bundesländern verläuft. Aber Ihr scheint wieder eine einzige, große Nation zu sein – das freut mich!“ sagt er in gebrochenem Schulbuch-Deutsch. Karl Li macht es Spaß in München, alles sei sauberer als in den USA, die Leute freundlicher und die U- und S-Bahnen wirklich praktisch. „Überhaupt ist München eine unglaublich attraktive Stadt: Das Zentrum ist wunderschön, die Museen – allen voran das Deutsche Museum – sind spannend, und die Berge sind ja gleich vor den Toren der Stadt!“ schwärmt er. „Bloß: Das Bayern-Deutsch ist wirklich schwer zu verstehen!“ Da schmunzelt der Wissende und denkt sich: Freilich, mia san ja a was anderes als der Rest von Deutschland.

Die Münchner City gefällt auch dem 31-jährigen Fernsehmoderator Jorge Nazar aus Chile richtig gut. „Ich mag München, die schönen Frauen und die sauberen Straßen“, meint der Reporter, der zuhause für den Sender Mega TV arbeitet. An der Feierwut der Münchner allerdings zweifelt er: Während wir Münchner ja neuerdings glauben, dass etwa auf der Leopoldstraße immer wieder der Teufel los ist, langweilt sich Nazar: „Feiertechnisch betrachtet hätte ich mehr erwartet“, sagt er. „Lateinamerika spielt absolut verrückt, wenn wichtige Fußballereignisse anstehen. In München dagegen wird das Partymachen nach ein paar Stunden wieder ausgeknipst.“

Die 24-jährige Fernanda Almeida-Marchines aus dem brasilianischen Vittoria stimmt zu: „Ich bin schon ein wenig enttäuscht von der Stimmung“, sagt sie. „Hier wird zwar gefeiert – aber nur eine Stunde lang und nur, wenn die deutsche Mannschaft gerade gewonnen hat.“ In Brasilien dagegen würde man bei Fußballereignissen tage- und nächtelang auf den Straßen toben. Beim Fan-Fest im Olympiapark sei die Stimmung noch am besten – „aber eigentlich ist vergleichsweise tote Hose hier“.

Ach, übrigens: Kaum ein ausländischer Fan glaubt, dass die Klinsmänner Weltmeister werden. Die Deutschen würden zwar besser spielen als erwartet, aber definitiv nicht „championslike“, wie etwa der Moçambiquaner Ricardo meint. „An Brasilien kommt eh keiner vorbei“, sagt auch die Brasilianerin Fernanda. Dasselbe behauptet Mauro Santos über seine Heimat – Portugal.

Aber genug der Spekulationen: Am 9. Juli werden wir sehen, wer am besten fußballern kann. Oder wer es zwar nicht kann, sich aber dennoch zum Sieg durchrumpelt. Sollte die deutsche Elf wirklich frühzeitig aus dem Turnier ausscheiden (zum Redaktionsschluss lag das Viertelfinalergebnis Deutschland – Argentinien noch nicht vor) – dann müssen wir wenigstens nicht nach Hause fahren, sondern bleiben einfach hier. Ist ja ganz schön bei uns – sagen sogar die anderen. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 29.06.2006
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