Die Post legt ihren Partneragenturen Steine in den Weg

Nichts als Ärger mit dem Gelben Riesen

Viele Postbank-Kunden müssen ihre Bankgeschäfte inzwischen in privaten Postagenturen erledigen. Manchmal unterlaufen dabei Fehler – für die in der Regel die Agenturen haften müssen. Der Gelbe Riese hilft ihnen nicht, diese Fehler zu beheben. Foto: dpwn

Viele Postbank-Kunden müssen ihre Bankgeschäfte inzwischen in privaten Postagenturen erledigen. Manchmal unterlaufen dabei Fehler – für die in der Regel die Agenturen haften müssen. Der Gelbe Riese hilft ihnen nicht, diese Fehler zu beheben. Foto: dpwn

Es klingt alles so schön, wolkig gelb irgendwie und beinahe freundschaftlich: „Seit zwölf Jahren arbeitet die Deutsche Post sehr erfolgreich mit Partnern aus dem Einzelhandel zusammen“, wie Gert Hilger sagt, Sprecher der Deutschen Post in München.

Allen Beteiligten biete die Zusammenarbeit Vorteile: die Post könne Mietkosten sparen, indem sie ihre Geschäfte von Schreibwarenhändlern und Supermärkten abwickeln lässt, die Partner könnten im Gegenzug ihr Sortiment erweitern und neue Kunden gewinnen.

Fragt man aber bei den Partnern, also den privaten Postagenturen nach, wie die Zusammenarbeit mit dem Gelben Riesen läuft, hört man laute Klagen: „Die Post legt uns Steine in den Weg“, so Torsten Modery, Vorsitzender des Bundesverbandes der Postagenturnehmer in Deutschland (BVPA). „Diese Zusammenarbeit bereitet uns viele Probleme und die Post ist nicht bereit, sie zu lösen.“ Manche Agenturen seien durch die vermeintlich „erfolgreiche Zusammenarbeit“ sogar schon in den Ruin getrieben worden.

Der Schreibwarenladen von Ute und Reinhard R. beispielsweise steht vor dem Aus. Bis vor wenigen Monaten hatten sie eine Postagentur geführt, in der sie Briefmarken verkauft und Postbank-Geschäfte abgewickelt hatten. Nun will die Post 89.000 Euro von ihnen – warum, wissen sie nicht so genau. Reinhard R.: „Wir haben dieses Geld nicht, wir haben die Post nicht betrogen. Wenn ich dieses Geld zahlen muss, ist meine Existenz kaputt“, wie er gegenüber dem ZDF-Magazin Mona Lisa erklärte.

Bereits bei der ersten Inventur vor sieben Jahren habe ihre Kasse nicht gestimmt, im Abrechnungssystem hätten 45.000 Mark gefehlt. Ute R.: „Als wir gefragt haben, was mit der Differenz wäre, hieß es, wir sollen uns keine Sorgen machen, bei der nächsten Inventur wird sich das ausgleichen, es gibt Probleme mit dem System.“

Genauer: Mit Epos, dem elektronischen postinternen Computersystem, das bei den Tests der Post einwandfrei funktioniert hatte. BVPA-Chef Modery widerspricht: „Wenn viel los ist, gibt es Ausfälle.“ Diese seien mitverantwortlich dafür, dass die Kasse bei Tausenden von Postagenturen nicht stimme. „Bei manchen Agenturen fehlen schließlich fünf Euro. Bei anderen Zigtausende.“ Das System habe „mysteriöse“ Softwarefehler, ist er überzeugt: Es gebe Aussagen von Betroffenen und auch von Kunden, die bestätigten, dass das Epos-Gerät „Betrag auszahlen“ angezeigt hätte, jene Beträge aber in der Folge nicht gebucht wurden.

Wie dem auch sei: Ein späterer Nachweis für derartige Vorfälle sei schwer zu führen – es sei denn, die Agenturbetreiber würden täglich ihre Abrechnung machen, „was sie oft versäumen“. Nach einer Woche ohne Abrechnung jedenfalls hätten die Agenturen keine Chance mehr, Systemfehler zu belegen, „denn die Post gibt uns, obwohl wir dem Bankgeheimnis verpflichtet sind, Aus- und Einzahlungsdaten nur anonymisiert weiter: Wir sehen nicht, wie viel Geld diesem und jenem Kunden ausgezahlt wurde. Wir müssen den Fehler sofort entdecken – oder wir sind aufgeschmissen.“

Die Agenturen können ihre Abrechnung zudem nur auf Papier machen - die Post dagegen verwendet intern eine Software, die alle Transaktionen exakt und in Windeseile nachvollziehen könne. Aber: „Die Software stellt sie uns nicht zur Verfügung. Warum, ist mir ein Rätsel. Vermutlich, weil sie kein richtiges Interesse daran hat“, glaubt Modery. „Die Verträge sind so gestaltet, dass die Agenturnehmer für alles haften. Die Post ist aus dem Schneider.“

Ferner entstünden Buchungsfehler, weil das Personal in den Agenturen jeweils nur drei Wochen in sämtliche Geschäfte eingearbeitet werde – im Gegensatz zu „echten“ Postbankmitarbeitern, die lange Lehren durchlaufen. „Von heute auf morgen kann man halt ein solches Programm nicht perfekt bedienen“, so Modery.

Sich völlig aus den Bankgeschäften zurückzuziehen, wäre dennoch unrentabel für die Agenturnehmer: Ein Drittel des Umsatzes, den sie durch ihre Postgeschäfte erzielen, machen sie mit der Postbank. Die einzige Konsequenz für die Agenturnehmer wäre also, sich völlig aus dem Geschäft mit der Post zurückzuziehen. Die Postversorgung wäre dann nicht mehr sichergestellt – oder würde, wie Modery befürchtet, von den Kommunen übernommen werden. „Dann wären wir dort, wohin keiner mehr wollte: Zurück in staatlicher Hand.“

Artikel vom 22.06.2006
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