Bald könnte beim Rauchen in München die südländische Lösung gelten

Zigarettenqualm vor dem Ende

Rauchen kostet Geld - und ist ungesund. Daher zieht die Nichtraucherfront jetzt in den Kippen-Krieg – mit Erfolg, wie es derzeit scheint. Foto: Archiv

Rauchen kostet Geld - und ist ungesund. Daher zieht die Nichtraucherfront jetzt in den Kippen-Krieg – mit Erfolg, wie es derzeit scheint. Foto: Archiv

Deutschland ist für die Raucher dieser Welt so etwas wie das letzte Paradies. Doch wenn es nach Verbraucherschutzminister Horst Seehofer geht, wird sich das bald ändern: Der CSU-Politiker fordert ein generelles Rauchverbot in öffentlichen Räumen und Gaststätten – wie es schon in Irland, Italien und vielen anderen Ländern eingeführt oder konkret geplant ist.

„Abstrakte Gefahren für die menschliche Gesundheit – wie jüngst bei der Vogelgrippe – werden bei uns emotionaler diskutiert als die konkrete Schädigung durch das Rauchen“, schimpfte er in dieser Woche. Der Staat – also sein Berliner Kabinett – müsse handeln, forderte er lauthals.

Aber noch haben die Raucher Zeit gewonnen, denn gerade wird die Verfassung im Zuge der so genannten Föderalismusreform geändert. Dabei geht auch die Zuständigkeit für das Gaststättengesetz auf die Bundesländer über. Zumindest in Kneipen, Biergärten und Restaurants hat Verbraucherschutzminister Seehofer also zunächst keinen Zugriff mehr auf die Glimmstängel.

Jetzt ist stattdessen der Freistaat Bayern am Zug. „Wir bauen darauf, dass sich hiesige Wirte freiwillig um den Nichtraucherschutz kümmern“, erklärt Roland Eichhorn, Sprecher des Bayerischen Gesundheitsministeriums, auf Anfrage. „Bis Ende 2006 soll die Hälfte aller Plätze in hiesigen Gaststätten rauchfrei sein, bis 2010 90 Prozent.“ Sollten sich die Nichtraucherplätze aber als Mogelpackung herausstellen – oder gar nicht erst eingerichtet werden, werde man den Nichtraucherschutz gesetzlich erzwingen.

Ministeriumssprecher Eichhorn betont, dass der Freistaat schon viel für den Nichtraucherschutz getan habe. „Rauchfreie Flughäfen und Bahnhöfe haben wir beispielsweise schon“. Ab kommendem Schuljahr darf zudem nicht mehr an Bayerns Schulen geraucht werden – auch die Lehrer und volljährigen Schüler sind davon betroffen. Ebenso soll in den Krankenhäusern der blaue Dunst „stufenweise verboten werden“, so Eichhorn.

In den Münchner Amtsstuben ist die Qualmerei dagegen schon jetzt vorbei: „In den Büros wird nicht mehr gequalmt“, erklärt Henrik Jörgens, Sprecher des Gesundheitsamtes. „Wer rauchen will, muss vor die Tür oder in spezielle Raucherecken.“ Dieselbe Regelung gilt übrigens auch im Kreisverwaltungsreferat, wo viele Münchner Bürger ihre Amtsgeschäfte erledigen. „Bei uns gilt im gesamten Haus Rauchverbot“, so Sprecher Christopher Habl. „Wir haben einige Raucherinseln im Haus, abseits des Parteiverkehrs und ansonsten gilt die südländische Lösung: Vor die Tür gehen.“

Wiggerl Hagn, Präsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, würde die Einführung eines Rauchverbotes für „kein Drama“ halten – fügt aber hinzu: „Begrüßen werden wir es trotzdem nicht.“ Allerdings glaubt er nicht, dass ein Rauchverbot mit gravierenden Umsatzeinbußen einhergehen werde. Im Gegenteil: vielleicht würden dann mehr Nichtraucher ins Wirtshaus gehen. „Wer mehr Geld ausgibt, Raucher oder Nichtraucher, wird sich dann zeigen.“

Was seine eigene Wirtsstube in Haidhausen betrifft, so hält er sich seit einiger Zeit an die freiwillige Vereinbarung mit dem Freistaat: „60 Prozent der Plätze sind bei uns Nichtraucherplätze“, sagt er. Als diese Regelung eingeführt wurde, hätte es kein Feedback gegeben: kein überschwängliches Lob über die Qualmfreiheit – und auch keine Kritik der Raucher, die fortan keine freie Platzwahl mehr hatten.

Für Ernst-Günther Krause sind die Wirtsleute Hagn mit ihrer Haltung eine Ausnahme. Krause bekämpft seit 30 Jahren den Zigarettenqualm – als Vorsitzender der Nichtraucher-Initiative München (NIM) und als Vizepräsident der Nichtraucher-Initiative Deutschland (NID). Denn in München lebe es sich als Nichtraucher schlecht: „Klar gibt es Rauchverbote in U- und S-Bahnen“, sagt er. „Sobald man aber vom U-Bahn-Untergeschoss via Rolltreppe ins Freie fährt, stecken sich die Raucher vor einem eine Zigarette an – und man steht wieder im Qualm.“ Für Krause ist der Nichtraucherschutz trotz des bald neu geregelten Gaststättengesetzes weiter Sache des Bundes. Beim Rauchen gehe es um „etwas Allgemeingefährliches, es hat epidemische Ausmaße angenommen“. Das seien Probleme, „um die sich die Bundesregierung kümmern muss!“

Tatsächlich hat sich inzwischen auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Monaten eisernen Schweigens der Nichtraucherbewegung angeschlossen – obwohl sie früher selbst ein Päckchen pro Tag geraucht hatte. „Das ist aber schon ein paar Jahre her“, gibt sie sich inzwischen schuldbewusst. Auch die SPD-Fraktion im Bundestag befürwortet ein generelles Rauchverbot in öffentlichen Räumen und Gaststätten, und will wohl sogar noch vor der Sommerpause des Parlaments ein entsprechendes Gesetz vorschlagen.

Genau wie Nichtraucheraktivist Krause wollen auch die SPD-Abgeordneten den Nichtraucherschutz bundesweit regeln – abseits der Gaststättenverordnung. Wenn daraufhin mehr als heiße Luft entsteht, könnte ein bundesweites Rauchverbot bereits in einem halben Jahr Realität sein.

Übrigens wird schon jetzt an manchen Orten in Deutschland richtig streng gegen zwanghafte Raucher durchgegriffen. Denn zumindest in den Fußballstadien gelten derzeit eigene Regeln, hier regiert schließlich der Weltfußballverband FIFA. Und das bekam Mexikos Fußballtrainer Ricardo La Volpe („El Fluppe“) zu spüren. Der Mann bringt es nach Eigenaussage täglich auf 60 Zigaretten, weil sie ihm hülfen, mit dem Stress fertig zu werden. Von der FIFA gab’s für so viel Qualm die gelbe Karte: Schriftlich hat sie El Fluppe daran erinnert, dass Rauchen im Trainerbereich verboten ist – es gebe schließlich eine Vorbildfunktion für die Coaches. Wenn der mexikanische Marlboro-Mann nochmals öffentlich raucht, fliegt er runter von seinem Trainerbänkchen.

Unser Tipp: Er könnte in den Zuschauerrängen Platz nehmen, dort darf geraucht werden. Trotz vorhergehenden Forderungen der Deutschen Krebshilfe – und trotz des Rauchverbots bei der vergangenen WM in Japan und Korea und auch bei der kommenden in Südafrika. Es scheint, als hätte sich bei der aktuellen Tribünenregelung unser Kaiser durchgesetzt. Als er bei einem FIFA-Termin gefragt wurde, wie er sich fit hält, antwortete Franz Beckenbauer: „Indem ich regelmäßig meine Zigarre rauche.“

Ob die Fitness an der Zigarre liegt, darf bezweifelt werden, denn gesund ist die Raucherei nicht, auch wenn der Kaiser anderes vermutet: Allein in Bayern sterben nach Angaben des Gesundheitsministeriums jährlich 16.500 Menschen unter 65 Jahren an den Folgen des blauen Dunstes. Insgesamt lösen sich übrigens 386 Millionen Zigaretten pro Tag in Deutschland in Luft auf, 4.800 teils hochtoxische Chemikalien werden dabei freigesetzt.

Artikel vom 22.06.2006
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