... und wir blicken am Samba-Sonntag auf die schönen Fans aus Brasilien

Die Welt blickt auf uns...

Ein neuer, fröhlicher Patriotismus beherrscht Deutschlands Straßen – zum Beispiel den Marienplatz. Wir werden Weltmeister! Zumindest Weltmeister der Herzen. 	Foto: Daniel Köhler

Ein neuer, fröhlicher Patriotismus beherrscht Deutschlands Straßen – zum Beispiel den Marienplatz. Wir werden Weltmeister! Zumindest Weltmeister der Herzen. Foto: Daniel Köhler

Als Sepp Blatter im Jahr 2000 den Namen Deutschland aus dem Couvert gezogen hat, begannen hierzulande die Planungen für das größte Fußballfest der Welt. Jahrelang diskutierte man fortan auch in München darüber, was getan und gelassen werden muss für das Event des Jahres, jahrelang putzte sich die Stadt heraus.

Zurzeit werden alle Mühen belohnt: Mit unvergesslichen Spielen und unglaublich fröhlicher Stimmung – direkt vor unserer Haustür. Die Stadt erntet zudem massiven Imagegewinn, und bei Bayerns Händlern klingeln die Kassen: 520 Millionen Euro sollen Touristen nach Schätzungen der IHK Bayern gut gelaunt im Freistaat lassen.

Ein diesbezüglicher Höhepunkt wird der „Samba-Sonntag“ sein, an dem ein Großteil der Münchner Innenstadtgeschäfte sowie die größeren hiesigen Einkaufszentren von 12 bis 20 Uhr geöffnet haben – wenn Ronaldinho, Adriano, Lucio und Co. die Stadt zum Brodeln bringen werden bei ihrem Spiel gegen Australien.

Der Ärger über Stadionbau und Bestechung sowie die Dauerbaustellen in der Stadt scheint seit dem Eröffnungsspiel verraucht zu sein – denn endlich rollt der Ball. „München wird sich zur WM weltweit als heitere, lebensfrohe und sportbegeisterte Stadt präsentieren. Schließlich sind wir Münchner ja ein besonders fußballbegeistertes Volk“, sagte Oberbürgermeister Christian Ude am Nachmittag des neunten Juni. Und er behielt Recht: Das Eröffnungsspiel Deutschland gegen Costa Rica war ein doppelter Erfolg, die deutsche Mannschaft hat gewonnen, die Stadt München auch.

Zu Beginn dieser Woche hatte die Internetseite FIFAworldcup.com die Fans gefragt: „Welches war für Sie bisher das aufregendste Spiel?“ Klarer Sieger dieser Zwischenumfrage war das Eröffnungsspiel, auf diese Partie fielen 35 Prozent aller abgegebenen Stimmen. Auf dem zweiten Rang landete der 2:1-Sieg Argentiniens gegen die Elfenbeinküste – interessanterweise war dieses Spiel der Favorit der deutschen User der Internetseite!

Ausgelassen und friedlich jedenfalls hatten Hunderttausende Fans auf den Straßen, in den Biergärten, den Kneipen und im Stadion das Eröffnungsmatch gefeiert. Eine costaricanische Fangruppe hatte am Siegestor ein paar Deutsche zum Spiel aufgefordert – diese Nachspielzeit des Erstrundenmatches endete 2:1 für Costa Rica! Danach lagen sich alle in den Armen, jubelten und fotografierten sich gegenseitig. A time to make friends, die Welt ist in München wirklich zu Gast bei Freunden und König Fußball regiert die Welt.

Die zuständigen Behörden sind unterdessen mit Arbeit dermaßen eingedeckt, dass sie kaum Presseanfragen beantworten können. Der Polizei geht es da besser, schließlich hatte sie bislang unerwartet wenig zu tun: Ein Polizeisprecher gab bekannt, dass am ersten Spielwochenende lediglich etwas mehr als 100 Personen festgenommen werden mussten – die meisten ihrer 3.000 Beamten mussten somit nicht eingreifen und konnten teilweise sogar ein bisschen mitfeiern. Fazit: Bisher alles gut in Fußballdeutschland!

Doch so schnell die Nationalelf letztendlich nach München kam, so schnell war sie auch wieder weg: Ihr letztes Vorrundenspiel wird sie in Berlin austragen, am Dienstag, ab 16 Uhr – gegen Ecuador. Frühestens im Achtelfinale, am 24. Juni, könnte München nochmals Schauplatz deutscher Balltreterei sein – sofern wir Sieger der Gruppe A werden. Bis dahin werden auch andere Fahnen auf der Leopoldstraße geschwenkt werden – am morgigen Sonntag von besonders schönen Fans: schließlich tragen die umjubelten Ballzauberer vom Zuckerhut mit großer Unterstützung ihrer Landsleute ihr Vorrundenspiel gegen die Australier im hiesigen Stadion aus!

Ihre südamerikanischen Kollegen aus Ecuador indes sind besonders gespannt auf ihr Spiel gegen Deutschland. Seit die Mannschaft mit einem souveränen Erstrundensieg gegen Polen für die erste Sensation des Turniers gesorgt hat, ist sie äußerst optimistisch. Ihr Trainer Luis Suarez schickte schon kleine Spitzen in Richtung deutsche Mannschaft: „Mit diesem Sieg über Polen haben wir nun vor der ganzen Welt bewiesen, dass wir auch unter anderen Bedingungen erfolgreich sein können. Jetzt sind wir bereit für jede Herausforderung“.

Der in München lebende Ecuadorianer Ricardo Hernandez sieht das ähnlich. „Wir sind zwar nicht viele Ecuadorianer hier, aber sollten wir gewinnen, werden alle auf den Straßen sein“, prophezeit der 35-jährige Banker. Einen besonderen Treffpunkt für die Fans aus seinem Heimatland gebe es jedoch nicht in der Stadt, denn „die Ecuadorianer lieben den freien Himmel. Also werden wir irgendwo vor einer Leinwand sitzen.“

Als Spielausgang wünscht er sich ein Unentschieden, denn sonst fürchtet er um die Stimmung an seinem Arbeitsplatz: „Die deutschen Kollegen sind immer sehr traurig, wenn ihre Mannschaft verliert – das will ich ihnen ersparen“ , lacht Hernandez. „Außerdem sind dann beide Mannschaften im Achtelfinale“.

Artikel vom 14.06.2006
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