Kulturreferentin Lydia Hartl erklärt ihren Rückzug – und keiner zeigt sich enttäuscht

München - Kein Happy End

Kulturreferentin Lydia Hartl verabschiedet sich bald aus ihrem Amt. Foto: Archiv

Kulturreferentin Lydia Hartl verabschiedet sich bald aus ihrem Amt. Foto: Archiv

Am Ende hatte sie sogar ihren letzten Verbündeten verloren. Münchens derzeitige Kulturreferatsleiterin Lydia Hartl wird sich im Sommer 2007 definitiv Ex-Kulturchefin nennen können. Hartl erklärte ihren Rückzug – freilich erst, nachdem ihr auch Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) klar gemacht hatte, dass eine neue Kandidatur keine Aussicht auf Erfolg für sie hätte.

Die Medizinerin und Medienwissenschaftlerin Hartl, die sich mit ihren zwei Doktor- und einem Professorentitel gelegentlich so schmückt wie andere mit einer Perlenkette, wurde nie richtig warm mit der hiesigen Kulturszene – was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte. Hartl, 2001 mit Vorschusslorbeeren als Nachfolgerin des heutigen LMU-Professors und damaligen Bundes-Kulturstaatsministers Julian Nida-Rümelin gestartet, erklärte zum Amtsantritt, dass sie vor allem die längst fällige Verwaltungsreform im Kulturreferat durchziehen wolle. Vorwerfen, dass sie dabei nicht emsig ans Werk gegangen sei, kann man ihr nicht. Allerdings zeigte sich bald, dass die neue Kulturchefin kaum Verwaltungserfahrung besaß.

Hinter vorgehaltener Hand erzählen Referatsmitarbeiter, dass „die Chefin bis heute nicht begriffen hat, dass man in einem Amt nicht einfach so Menschen an andere Positionen verschieben oder einfach so feuern kann, wenn einem das Gesicht nicht passt.“ Hartl hatte – nicht nur in ihrem Referat, sondern auch im Stadtrat und in der Kulturszene, ihren Ruf weg als schwierige Diva. Nur OB Ude hielt lange zu ihr.

Erst, als die Referentin mit der Reform der Stadtbibliotheken nicht so recht voran kam – diese wurde schließlich von Stadträten erarbeitet, und als bekannt wurde, dass sich Hartl ohne Absprache für eine Professur in Linz beworben hatte, änderte auch der OB langsam seine Meinung. Tatsächlich ist die Liste der Vorwürfe gegen Hartl lang: Sie habe sich kaum an Absprachen gehalten und hätte sehr oft Alleingänge gewagt – aktuelles Beispiel: das jüngste Kuddelmuddel um die Konzertvergabe am Königsplatz (wir berichteten). Ferner sei sie bei Fragen zur Kunst im öffentlichen Raum konzeptionslos gewesen (bei der im Mai stattgefundenen Fachtagung zum richtigen Umgang der Kunst mit der Zeit des Nationalsozialismus etwa ist sie gar nicht erst erschienen), und sie habe Etats oft einfach verfallen lassen, wenn sie das Thema nicht interessiert habe.

Sicher, Hartl hatte es nicht leicht. Da waren nicht nur die Vergleiche mit ihrem Vorgänger, immerhin einer der bekanntesten lebenden Philosophen in unserem Sprachraum – auch der finanzielle Spielraum für die Kultur war noch nie so wacklig wie zurzeit. Hartl selbst sagt: „Ich musste mein Amt antreten in der härtesten Sparphase der Nachkriegszeit und war damit von vornherein der personifizierte Überbringer schlechter Nachrichten.“

Zu Gute halten kann man ihr auch, dass sie jetzt den Weg frei macht für eine neue Referentin, die hoffentlich mit einem glücklicheren Händchen agiert als Hartl. Sie verlasse diesen Posten schweren Herzens, erklärte sie vergangene Woche, weil sie die „erfolgreichen Initiativen der letzten Jahre gerne weitergeführt“ hätte. Allerdings betonte sie auch: „In den vergangenen fünf Jahren hat sich die große Liebe zur SPD und zum Oberbürgermeister nicht hergestellt.“

Ihr Amt wird nun neu ausgeschrieben und aus dem Stadtrat heißt es, dass es eine wirklich offene Ausschreibung sein werde. Das bedeutet, dass es bisher keinen Favoriten gibt. Im Gespräch allerdings war beispielsweise Stadträtin Brigitte Meier (SPD); ihre Kandidatur aber scheint vom Tisch zu sein – vielmehr werde ein wahrhafter Experte aus dem Kulturbetrieb gesucht. Möglichst eine Frau, möglichst mit Verwaltungserfahrung. Voraussichtlich bis Ende August wird die Bewerbungsfrist laufen. Im November wählt der Stadtrat dann die neue Kulturchefin und in ziemlich genau einem Jahr wird diese dann ihre Arbeit aufnehmen.

Welche alles andere als gering ist. Ungeachtet der möglichen Verfehlungen während Hartls Amtszeit müssen einige Projekte vorangetrieben werden. Vor allem im subkulturellen Bereich liegt einiges im Argen. Auch das Dauerthema „NS-Dokumentationszentrum“ und die schon angesprochenen Themen Kunst im öffentlichen Raum sowie die künftige Finanzierung nicht nur der Hochkultur sind Angelegenheiten, in die viel Energie gesteckt werden müsste.

In den Büros der Hochkultur-Einrichtungen nun möchte man sich mit Wünschen für die Zeit nach der Ära Hartl noch zurückhalten. Aus einem städtischen Theater etwa war nur zu hören, dass in den vergangenen Jahren zu viele „komische Dinge“ passiert seien, als dass man jetzt schon, so lange Hartl noch im Amt sei, mit neuen Forderungen an die Öffentlichkeit treten möchte. Ein breiteres Spektrum an Kunst soll ermöglicht werden – die Stadt soll Experimentierfelder und Platz für Neues schaffen, heißt es dagegen aus einem Münchner Kulturbüro. Und: die Stadt sollte nicht nur „einigen wenigen Institutionen erlauben, Kunst zu machen“. Bleibt also zu hoffen, dass die neue Referentin auch vielen Kultur-Experten Gehör schenken wird, die bislang wenig zu melden hatten. Von Filippo Cataldo

Artikel vom 08.06.2006
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