Albrecht Ackerland über Münchenknigge

„Da schau her“

Sodalla: Jetzt müssen wir uns langsam einstellen auf die Trilliarden Touristen, die uns ab Ende nächster Woche überschwemmen werden. Auf eines jedenfalls können wir uns gefasst machen: besonders gepflegt, mit gutem Geschmack versehen, mit Wissen über die hiesigen Besonderheiten und Eigenheiten ausgestattet, das werden nicht alle sein, die kommen. Macht aber nichts – man kann es ihnen ja beibringen.

Um mich an dieser Art der Erwachsenenbildung zu beteiligen, hab ich ein Zimmer bei mir untervermietet. Gleich in der ersten Woche an einen Rentner aus Hessen. Nach eigenen Angaben hat er sein Leben lang hart gearbeitet. Jetzt, zur WM, will er nach München, „sich was gönnen, die bayerische Luft schnuppern“, das hat er mir am Telefon vorgehesselt. Ich hab ihm gesagt: „Gut, kommen’s, es wird nicht ganz billig, aber dafür bring ich Ihnen alles bei, was Sie in München wissen müssen. Und lassen Sie um Gottes Willen ihren Apfelwein daheim. Wenn, dann besorg ich Ihnen feinsten oberösterreichischen Most!“ Dann klang er ein wenig eingeschüchtert, kommen will er trotzdem.

Damit er sich in seinem Zimmer wohl fühlt, häng ich ihm von mir aus ein Heinz-Schenk-Poster auf. Ansonsten wird meine Behandlung münchnerisch. Dass man hier „Servus“ sagt, das erfährt er zuallererst. Sein „Tschö“ oder „Tschüssle“ oder was weiß ich, was er sagt, das kann er gleich vergessen. „Ciao“ geht auch noch. Zum Frühstück gibt’s dann erst einmal Weißwürscht mit zwei bis vier Weißbier. Damit der Hesse München gleich mal von der sonnigen Seite erlebt. Die wichtigsten Floskeln wie „sitz di her, samma mehr“ oder „pack ma’s“ oder „schleich di“ werde ich ihm auch ziemlich schnell beibringen. Dann zeig ich ihm die Sachen, die er nicht braucht: Hüte in Fassform nämlich. Eine Lederhosen braucht er auch keine, er ist ja ein Hesse. Dafür braucht er ziemlich schnell einen ordentlichen Schweinsbraten, einen Viktualienmarktbesuch und vielleicht sogar ein Gschpusi.

Ich sag’s Ihnen: der hat ein Leben bei mir, der will gar nimmer weg. Muss er aber, denn dann brauch ich das Zimmer wieder. Kann ja sein, dass ich noch andere München-Schüler unter meine Fittiche nehmen muss.

Artikel vom 01.06.2006
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