Der Fotokünstler Johnny Amore setzt in der »Färberei« Schürzen in Szene

Au · Kult-Kittel im Portrait

Warum so traurig, schöne Schnapsbrennerin? Schau doch auf das Muster Deines Kittels, dann ist die Welt wieder bunt – Schürzenportrait von Johnny Amore.

Warum so traurig, schöne Schnapsbrennerin? Schau doch auf das Muster Deines Kittels, dann ist die Welt wieder bunt – Schürzenportrait von Johnny Amore.

Au · Sie ist das Synonym für Sauberkeit, Ordnung und warme, solide Kost auf dem Tisch: die Kittelschürze. Reinschlüpfen und Tagwerk verrichten, in Haus, Garten, Stall und im Stiegenhaus. Ein echter Klassiker der weiblichen Bekleidung, ob uni, kariert, geblümt, mit Rüschen und Biesen, der im Rahmen der Retrowelle aber gerade wieder modisch neu entdeckt wird. Diesem an sich ganz nützlichen Kleidungsstück, bei dessen Anblick viele sicher sofort an die eigene Oma denken, huldigt die Ausstellung »Schürzenportaits« in der Färberei, Claude-Lorrain-Straße 25.

Vernissage ist am Donnerstag, 11. Mai, um 19 Uhr.

Der Münchner Fotokünstler mit dem vielversprechenden Künstlernamen Johnny Amore hat diverse Damen in schön schnörkeligen Kitteln, die aus Großmutters Kleiderschrank stammen könnten, vor die Linse geholt: eine melancholische beschürzte Arbeiterin in einer Schnapsbrennerei etwa, eine Jungbäuerin im Kuhstall-Kittel, eine Tätowierte mit stylischer 70er-Jahre-Schürze: Insgesamt 25 »Schürzenportraits« zeigt Amore, 1973 an der Isar geboren und Absolvent der staatlichen Akademie für Fotodesign, jeweils im Format 48 mal 48 Zentimeter von 12. bis 21. Mai.

Auch wenn der Münchner sogar eine kittelbeschürzte Wasserleiche im Arbeiter-Outfit inszeniert, und seine Schau kurz vor Muttertag startet – seine Bilder versteht der Schürzenjäger nicht als sozialkritischen Kommentar zu weiblicher Plackerei und Emanzipation.

Mehr als andere Bekleidungen ist die Kittelschürze ein Stück textil gewordene Kulturgeschichte. Aus dem »Schutztextil mit Sozialprestige« des spätmittelalterlichen Handwerks wurde die Uniform von Hausfrauen und Dienstmädchen. Zugleich ist sie das Stoff gewordene Beispiel für die Emanzipation der Frau. Das hat die Kulturwissenschaftlerin Elke Gaugele in ihrer Untersuchung »Schurz und Schürze« herausgefunden. Von den weißen Schürzen des Dienstpersonals in den guten Häusern über die Arbeiterinnenschürzen in den Fabriken, den Hausfrauenschürzen der 30er, und später der 60er und 70er Jahre – was als Schutz vor Verunreinigungen begann, wurde zum Sinnbild einer bestimmten Rolle.

Manchmal auch einer erotischen, etwa beim Krankenschwester-Kittel. Schürze, meist aus dem DDR-Kunststoff Dedeon, und weibliche Arbeit bildeten speziell auch in der DDR eine Einheit. Dabei steht die Kittelschürze doch irgendwie aus heutiger Sicht für ein wenig modernes Frauenbild und einen unglamourösen, kleinbürgerlichen Haus-Frauen-Alltag. Weiß Amore, was er da für ein wichtiges Thema berührt? Doch dem 32-Jährigen geht es eher um den ästhetischen Reiz der Schürze.

Amore spielt mit Klischees und will Geschichten anreißen, die der Betrachter zu Ende spinnen darf. Außerdem hat Amore, wie beispielsweise bereits bei seinen Tapetenportraits, Spaß an den wunderbaren Textil-Mustern. Wie halt auf Omas Kittelschürzen. Wild, bunt, blumig. Sonntags bis mittwochs, jeweils von 16 bis 19 Uhr, ist die Schau geöffnet: Warum also nicht mit Mami am Muttertag, 14. Mai, einen augenzwinkernden Ausflug zur Schürzenkittelschau machen? Michaela Schmid

Artikel vom 09.05.2006
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