Stadt-Bewohner: In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

München · Die Schöpfer von »Münjin«

Peter Scheller (links) und seine Kollegen brüten über den Plänen für den Hafen von München. Foto: maho

Peter Scheller (links) und seine Kollegen brüten über den Plänen für den Hafen von München. Foto: maho

Altstadt · Eine beeindruckende Magnetschwebebahn bauen, ohne sich um Finanzierungslücken zu kümmern. Gewaltige Wolkenkratzer hochziehen, ohne dass einem ein konservativer Alt-OB in den Rücken fällt. Einen riesigen Hochseehafen errichten, ohne sich darum zu scheren, dass die Natur überhaupt kein Meer in die Nähe der Stadt gesetzt hat: Das klingt nach dem Wunschtraum mancher Geschäftsleute – den Peter Scheller und Johannes Schele für das Kulturprojekt Bunnyhill der Münchner Kammerspiele wahr werden lassen, ein wenig zumindest: Zwischen 18. und 26. Mai erwecken die beiden Architekten die Parallelstadt »Münjing« zum Leben.

»Münjing« soll eine Art Kreuzung aus München und einer fernöstlichen Megacity werden – eine hochtrabende Vision. Da glaubt man kaum, dass Peter Scheller, der dies umsetzen wird, einmal ganz bodenständig angefangen hat: mit einer Lehre als Zimmermann. Weiter machte der heute 38-Jährige mit einem Architekturstudium in München, wo er seinen Kollegen Schele kennen lernte. Zusammen mit weiteren Architekten gründeten sie im Juli 2003 die »Positive Architekten-Mafia« (PAM), einen Zirkel junger Architekten, der mit verschiedenen Projekten dafür sorgen will, dass Architektur auch abseits der Universitäten und Feuilletons zum Gesprächsthema wird.

Über die PAM wurden die Kammerspiele auf Scheller und Schele, der inzwischen in einem Architekturbüro im niederländischen Rotterdam arbeitet, aufmerksam. Sie beauftragten die beiden damit, sich eine Aktion zum Bunnyhill-Motto »Wem gehört die Stadt?« auszudenken. Gemeinsam entwarfen diese die Idee des »Sehnsuchtsorts« Münjing, in dem Bauprojekte gemacht werden – anstatt sie lang und breit zu diskutieren: Einen Skytrain beispielsweise, der direkt über der Altstadt schwebt, gigantische Hochhauszüge und eben einen Hafen mitten auf dem Karlsplatz.

Als scheinbare Vorboten der größenwahnsinnigen Bauvorhaben wird Schellers Architekturbüro »PALAIS MAI« authentisch aussehende Bautafeln in der Innenstadt errichten und dazu – das ist der eigentliche Clou – drei sechs Meter große Hochseecontainer auf dem Karlsplatz aufstellen, die dann nach einer Woche wie eine Fata Morgana wieder verschwinden werden. Die Aufmerksamkeit der City-Bummler ist »Münjing« also in jedem Fall gewiss.

Einen Vorgeschmack auf das zu erwartende Echo der Münchner Bürger bekam Scheller schon beim für das Projekt nötigen Marsch durch die Verwaltungsinstitutionen. »Die Reaktionen reichten vom schmunzelnden Augenzwinkern bis zu völliger Ratlosigkeit«, berichtet er. Ein älterer Bürger im örtlichen Bezirksausschuss sorgte sich etwa darum, dass die Container die Touristen verschrecken würden. »Natürlich sind die Dinger oberflächlich betrachtet eine Verschandelung des Karlsplatzes«, meint Scheller hierzu: »Aber das wird dadurch aufgewogen, dass die Leute darüber diskutieren und sich Gedanken über ihre Stadt machen werden.« Ein real existierendes Münjing will Scheller nicht. »München ist eine wundervolle Stadt«, meint er: »Sie könnte sich nur etwas mehr Modernität zugestehen, ohne sich dabei selbst zu verleugnen.« maho

Artikel vom 02.05.2006
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