Ismaninger Prachtexemplare trotzen bislang allen Dieben – seit über 100 Jahren

Ismaning · Burschen und Maibäume

Andreas Vogel hat letztes Jahr den Eicherloher Maibaum geklaut – und wird daher heuer das eigene Ismaninger Stangerl nicht aus den Augen lassen.Foto: ras

Andreas Vogel hat letztes Jahr den Eicherloher Maibaum geklaut – und wird daher heuer das eigene Ismaninger Stangerl nicht aus den Augen lassen.Foto: ras

Ismaning · Lässig, doch mit sichtlichem Stolz weist Andreas Vogel mit dem Kopf in Richtung eines Bretterverschlags. Das weiß bemalte Häuschen kauert winzig neben der Zeile aus großen Lagerhallen, als sei es einzig zu dem Zweck angebaut worden, diesen Gegensatz zu demonstrieren.

Vogels Hände stecken in engen Jeans-Hosentaschen, sein Gesicht wird von einer überdimensionalen Sonnenbrille ausgefüllt. Starker Parfümduft strömt von dem jungen Mann aus, als sei er gerade auf dem Sprung in die Disko oder als Gigolo in Sachen Herzensbrechen unterwegs.

Doch weit gefehlt: Vogel, der Vorsitzende des Ismaninger Burschenvereins, hat heute einen Knochenjob vor sich. Die ganze Nacht wird er sich in dem weiß bemalten Kabuff um die Ohren schlagen müssen, um den Maibaum zu bewachen, der vor der kleinen Hütte liegt. Dabei ist es kaum zu glauben, dass der 37 Meter lange, weiß lackierte Rohling, wie er da seit dem 18. März wuchtig auf Blöcken aufgebockt liegt, jemals wegstibitzt werden kann.

Doch beim Maibaumstehlen geht es knallhart zur Sache: »Letztes Jahr haben wir es wieder geschafft«, sagt Vogel, und seine braunen Augen hüpfen vor Freude. Damals haben sich die Ismaninger Burschen um vier Uhr morgens in einen Unterstand in der Mini-Ortschaft Eicherloh geschlichen. Ein Auto mit dem Bewacher stand dort: Dieser sollte den Riesen aus Fichtenholz nicht aus den Augen lassen.

Die Autotüren waren unverriegelt: Der Eicherloher Bursche sollte sofort aus dem Wagen springen können, würde »es« geschehen. »Es« – das ist der Supergau, der Schrecken der Dorfgemeinschaft, der Moment, in dem es die Diebe schaffen, in das Gelände einzudringen und den Baum zur Schande des Ortes wegzutransportieren.

Da kam für die Ismaninger der günstige Moment: Der Eicherloher musste offensichtlich eingenickt sein. »Ein tödlicher Fehler«, sagt Vogel und schmunzelt. Stracks sprangen sie zum Auto, öffneten die Türen, verriegelten sie und schlugen sie wieder zu. Der völlig überraschte Aufpasser versuchte noch, sich aus dem Schiebedach zu retten, doch auch das gelang ihm nicht. In seinem Fahrzeug eingesperrt musste er zusehen, wie sich die Feinde an das begehrte Diebesgut machten. Mindestens zehn Mal ist es den Ismaninger Burschen seit der Vereinsgründung im Jahr 1898 gelungen, Maibäume zu stehlen. »Die Kunst besteht darin, die Verhältnisse der anderen ganz genau auszukundschaften«, weiß Vogel. Und natürlich muss man selbst gnadenlos auf der Hut sein, darf bei der Nachtwache keinen einzigen Moment unaufmerksam sein.

Die Ismaninger verstehen sich offensichtlich blendend auf dieses Handwerk: »Noch nie hat uns jemand den Maibaum gestohlen«, sagt Vogel stolz. Und auch der Rohling im Hof hat gute Karten, die Zeit bis zum 1. Mai unbeschadet zu überstehen und schließlich mit einem Kran auf dem Platz der Kirche St. Johann Baptist aufgestellt zu werden. Vogel erwartet für das Fest an diesem Tag mindestens 600 Gäste. Die werden dann feiern, dass »ihr« Baum es wieder einmal geschafft hat. Rafael Sala

Artikel vom 25.04.2006
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