Emir Kusturica und sein „No Smoking Orchestra“

Haidhausen - Punk den Balkan

Sarajevos Antwort auf die deutsche Spaß-Punkband „Die Toten Hosen“: Emir Kusturica und das „No Smoking Orchestra“. Foto: VA

Sarajevos Antwort auf die deutsche Spaß-Punkband „Die Toten Hosen“: Emir Kusturica und das „No Smoking Orchestra“. Foto: VA

„Emir Kusturica?“, fragen Kinofans, „macht der nicht Filme?“ Ja – aber meist macht er auch die Musik dazu, sofern er nicht seinen ehemaligen Kumpel Goran Bregovic dafür engagiert hatte; aber das ist Schnee von gestern (siehe unten). Und ja: natürlich ist in der Regel Vorsicht angebracht, wenn Musiker zu Schauspielern werden oder Regisseure zu Musikern, weil nur selten das Ergebnis hält, was der prominente Name verspricht.

Und nochmals ja: es kann gut sein, dass der Ruf von Kusturicas Kapelle „No Smoking Orchestra“ niemals über die Berge des Balkans gedrungen wäre, wenn nicht der Meister selbst dort seit 20 Jahren den Bass zupfen würde.

Doch: „No Smoking“ sind so etwas wie die Antwort Sarajevos auf die „Toten Hosen“: Ihren folkloristisch gefärbten Fun-Punk tauften sie „Unza Unza“ – was klar macht: Tiefgang ist ihre Sache nicht. Und Schubladen mögen sie auch nicht: Die 12-köpfige Combo mischt Country mit türkischen Märschen, Folklore mit Musette, südamerikanische Rhythmen mit Zigeuner-Nostalgie.

Ihre Auftritte kündigen sie stets mit den Worten „Brother and Sisters, this is the beginning of a beautiful Friendship“ an – und dann geht's in der Regel zu wie bei einem Kindergeburtstag, nachdem die Eltern kurz mal das Haus verlassen haben: grob und laut und ausgelassen. Und in der Meute schließlich tollt ein Filmregisseur herum – einer der bekannteren noch dazu. Großes Kino!

Im Jahr 1980 hatte Sänger Nelle Karajic das „No Smoking Orchestra“ gegründet, 1986 kam Kusturica dazu. Anfangs war die Kapelle weniger Spaßband und mehr musikalisches Sprachrohr des „New Primitivism“, einer Widerstandsbewegung nach Titos Tod. Ein Karrierehöhepunkt für die Combo dürfte die Produktion der Filmmusik zu Kusturicas 2004-er Werk „Life is a Miracle“ gewesen sein, der einen Golden Globe für den besten europäischen Film einstrich.

Den Komponisten Goran Bregovic übrigens, mit dem Kusturica jahrelang erfolgreich zusammengearbeitet hatte, bezeichnet er heute als „Dieb“: Unter jedes Musikstück habe der seinen Namen gesetzt, auch wenn er es „nur arrangiert hat. Das macht mir eine Zusammenarbeit unmöglich.“ Daher schreibt jetzt „No Smoking“ jetzt statt Bregovic Filmmusikgeschichte. Ein Grund, warum die Zusammenarbeit mit der Band so gut läuft, könnte übrigens das unausgesprochene Agreement zwischen ihr und Kusturica sein: Der Regisseur stellt inzwischen dem Bandnamen seinen eigenen voran – und verhilft „No Smoking“ somit zu mehr Popularität. Dafür darf er auf der Bühne mittanzen – und dabei seine Gaudi haben.

Ihren herzerfrischenden Krach bieten „Emir Kusturica + The No Smoking Orchestra“ am Samstagabend, ab 20.30 Uhr, in der Muffathalle. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 06.04.2006
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