Experte Schallenberg erklärt Wege aus Mobbing-Hölle

München - Gegen Prügel in der Pause

„Tanja, Matthias – helft mir mal!“ Der Sozialpädagoge Frank Schallenberg setzt bei Mobbing auf die Hilfe der Gemeinschaft. Foto: Archiv

„Tanja, Matthias – helft mir mal!“ Der Sozialpädagoge Frank Schallenberg setzt bei Mobbing auf die Hilfe der Gemeinschaft. Foto: Archiv

„Ich gehe davon aus, dass es in jeder Klasse an jeder Schule täglich ein bis zwei Mobbing-Fälle gibt“, sagt Frank Schallenberg, Mobbing-Berater am Münchner Jugendinformationszentrum (JIZ) und Autor des Buchratgebers „Ernstfall Kindermobbing“. Rund 180 Münchner Mobbing-Opfer hat er im vergangenen Jahr telefonisch – und 60 persönlich beraten.

Um Schikane an Münchens Schulen generell zu verhindern, müssten die Lehrer gemeinsam mit den Schülern in jeder einzelnen Klasse ein Klima des Respekts und der Gewaltfreiheit schaffen, lautet seine These.

Eigentlich soll die Schule ein Hort des Lernens und der Muße sein: Der Begriff „Schule“ leitet sich von „schole“ ab – so nannten die Griechen das „Innehalten bei der Arbeit“. Es waren die Momente, in denen sie dann Zeit für die schönen Dinge des Lebens hatten, für die Bildung etwa. Doch die Griechen ahnten sicher nicht, was zweitausend Jahre später aus ihrer „schole“ wurde: Viele Schüler werden heute von Leistungsdruck und Stress gequält – und allzu oft von ihren Mitschülern. Doch gibt es einen Weg zurück in altgriechische Verhältnisse?

„Wird der Schüler noch nicht allzu lange tyrannisiert, kann er versuchen, die Sache durch ein Gespräch mit dem Täter aus der Welt zu schaffen“, so Mobbing-Experte Schallenberg. „Dieser kapiert dann vielleicht, was er dem anderen antut – und hört auf damit.“ Wenn das Opfer allerdings über längere Zeit systematisch gequält wird, hilft das nur noch selten. Dann sollte man als Opfer versuchen, unbeteiligte Schüler durch persönliche Ansprache aus der Reserve zu locken um sie damit zu Verbündeten zu machen: „Tanja, Matthias – helft mir mal!“ Die Klassenkameraden würden sich hoffentlich in die Pflicht genommen fühlen. Und wenn der Täter merkt, dass sein Opfer Sympathisanten hat, verliert er möglicherweise den „Spaß“, glaubt Schallenberg.

Falls die Klassenkameraden allerdings aus Angst, selbst Ziel der Attacken zu werden, nicht einschreiten, dann ist der Klassen- oder Vertrauenslehrer der nächste Ansprechpartner: „Der Schüler sollte genau erzählen, was vorgefallen ist, wie er sich fühlt, warum er so ungern in die Schule geht. Aber Achtung: Die Vertrauenspersonen sollten jetzt nicht voreilig mit den Tätern oder ihren Eltern Kontakt aufnehmen.“ Denn wenn der Lehrer beispielsweise vor die Klasse tritt und sagt: „Euer Mitschüler Hans hat folgendes Problem...“ – dann kann es leicht passieren, dass Hans noch mehr ausgegrenzt wird, so Schallenberg. Der Lehrer sollte vielmehr versuchen, Respekt und Gewaltfreiheit als Werte zu stärken: „Die Schüler sollen sich selbst klar machen, dass sie nicht zulassen, dass einer von ihnen tyrannisiert wird.“

Gemeinsam mit dem Täter sollten Klassenregeln entwickelt werden, die Mobbing verhindern. Und auch speziell ausgebildete Streitschlichter hält Schallenberg für sinnvoll: Wichtiger aber sei, dass sich die gesamte Gemeinschaft verantwortlich für ein gutes Klima fühlt – und nicht nur zwei oder drei Schüler.

Wenn nun alles nicht hilft, empfiehlt Schallenberg dringend, eine externe Mobbing-Beratungsstelle wie die des Jugendinformationszentrums (Telefon 51 41 06 60, www.mobbing.jiz-m.de) aufzusuchen. Dort kümmern sich Fachleute um das Mobbing-Opfer – hinterfragen, warum kein konstruktives Gespräch in der Schule möglich war, vermitteln, spielen Lehrern Informationen zum Umgang mit Mobbing-Fällen zu, organisieren Elternabende. „Letztendlich aber kann das Problem nur in der Schule gelöst werden – nicht extern. Dort muss sich ein soziales, gewaltfreies Leben entwickeln“, fordert Schallenberg.

Ein langer Weg – und dennoch sollte das Opfer laut Schallenberg nur als allerletzte Lösung die Schule wechseln: „Der Schüler wird es an der neuen Schule auch schwer haben: als zutiefst verunsicherter Jugendlicher, der sich möglicherweise für den Schulwechsel verantwortlich fühlt – und nicht sieht, dass es an seinem penetranten Klassenkameraden lag. Er wird sich womöglich immer als Verlierer fühlen.“ Auch, dass der Täter die Schule verlässt, sei keine gute Lösung: „Er wird sich im schlimmsten Fall bestätigt fühlen – und denken ‚Mich kriegt keiner unter.’“ Von Nadine Nöhmaier

Klicks statt Kicks – im Internet gibt’s erste Hilfe:

www.mobbing-jiz-m.de

www.schueler-mobbing.de

www.schulberatung.bayern.de

www.mobbing-web.de

www.mobbing-net.de

www.kids-hotline.de

www.mobbing-help.de

www.mobbinginfo.de

Artikel vom 30.03.2006
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