In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

Schwabing · Stadt-Bewohner

Den »weißen« Rumänen sind die »Zigans« egal – den Schülern aus Schwabing nicht. Georg mischt Lehm mit Pferdemist, Lennart und Annika schmieren das Zeug auf die Außenwände der Hütte – und so wächst, Jahr um Jahr, das Schulhaus des zentralrumänischen Dorfes Rosia, das einstige Rothberg in Siebenbürgen.

Der Physiklehrer Walter Kraus begleitet im Rahmen ihres Sozialpraktikums seit 2002 die Elftklässler der Schwabinger Rudolf-Steiner-Schule in diesen Ort, der so gar nicht zu Europa zu gehören scheint, obwohl Rumänien 2007 in den Kreis der EU-Familie aufgenommen werden soll.

Hauptsächlich Roma-Familien leben in Rosia, sie selbst nennen sich »Zigans« – so das Pendant zum deutschen Begriff »Zigeuner«. Die meisten sind arbeitslos, ihr Verhältnis zu »weißen« Rumänen ist angespannt. »Wir wurden von Rumänen gefragt: Warum helft ihr ausgerechnet den Roma?« erzählt die 17-jährige Schülerin Esther Schreiber. »Ich habe gesagt: Weil sie dringend Hilfe brauchen: Sie stecken in einem Teufelskreis: sie kriegen keinen Job, werden diskriminiert – und fallen schließlich in einen Trott, kriegen gar nichts mehr auf die Reihe, haben Alkoholprobleme.

Dass sie jemals wieder Arbeit bekommen, ist extrem unwahrscheinlich.« Dennoch rümpften die »weißen« Rumänen nur die Nase über das Engagement der Schüler – »das hat mir schon einen Stich verpasst. Aber es ist richtig, hier mit anzupacken«, ist Esther überzeugt.

»Für uns ist das eine Reise zurück in eine Zeit, in der mit der Hand auf Feldern gearbeitet wurde«, erinnert sich Esther, die wie ihre Mitschüler sechs Tage die Woche in Rosia mitwerkelte.

Ein Roma koordiniert die Arbeiten vor Ort und hilft den Schülern, wenn ihre handwerklichen Fertigkeiten nicht mehr reichen. Und trotz der anstrengenden drei Praktikumswochen vermisse sie Rumänien inzwischen: »Wir haben uns, obwohl wir ständig aufeinander hingen, dort irre gut verstanden.«

Auch für Lehrer Kraus steht das Erleben im Vordergrund. Die Tour nach Rumänien sei vor allem ein Beitrag zur Persönlichkeitsbildung der Schüler: »Sie lernen dort, dass konkrete Hilfe mehr bewegt als Mitleid.« Geld für den Aufenthalt, die Baumaterialien und das Werkzeug haben die Schüler übrigens mit Spenden von Schwabinger Geschäftsleuten finanziert, sowie mittels der »Jugend hilft!«-Stiftung.

Wer ebenfalls spenden will, kann Kontakt zur Steiner-Schule aufnehmen über die E-Mail oberstufe@waldorfschule-schwabing.de oder über Telefon 38 01 40 25. nan

Artikel vom 29.03.2006
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