Eine Handvoll junger Leute will den Gärtnerplatz vor dem Umbau retten

Münchner Zentrum · »München verliert an Flair«

Gärtnerplatz: Aus alt mach neu. Für Ruth Feindel, Sandra Forster und Flavio Chouquer (oben, v. li.) ist damit das Ende einer Insel urbaner Lebensfreude besiegelt.  	Fotos: LHM

Gärtnerplatz: Aus alt mach neu. Für Ruth Feindel, Sandra Forster und Flavio Chouquer (oben, v. li.) ist damit das Ende einer Insel urbaner Lebensfreude besiegelt. Fotos: LHM

Münchner Zentrum · Unterschriftenlisten, eine Mahnwache und ein Brief an Oberbürgermeister Christian Ude. Was Max Zeidler, Ruth Feindel und eine Handvoll Bewohner und Gewerbetreibende aus dem Glockenbachviertel gerade versuchen, wirkt wie ein Crashkurs in Sachen Bürgerinitiative.

Mit aller Kraft wollen sie quasi in letzter Minute verhindern, dass ab 3. April der Gärtnerplatz umgebaut wird. »Wenn umgesetzt wird, was der Stadtrat beschlossen hat, verliert München einen einzigartigen Platz mit Großstadtflair«, begründet Zeidler sein Engagement. Der gelernte Politologe arbeitet als Presseberater und wohnt in Haidhausen – »deswegen bin ich eigentlich nicht derjenige, der was machen kann in Sachen Gärtnerplatz« – aber für ihn sei das Rondell gerade im Sommer eine Insel urbaner Lebensfreude, wie sie sonst selten sei in der Stadt.

Dem zuständigen Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (BA 2) und dem Stadtrat ist die allsommerliche Lebensfreude dagegen ein Dorn im Auge. Im derzeit gültigen Beschluss des Bauausschusses vom 27. September vergangenen Jahres heißt es: »Aufgrund der verstärkten, insbesondere auch nächtlichen Nutzung ist der gegenwärtige Zustand des inneren Rondells des Gärtnerplatzes aus fachlicher Sicht nicht mehr tragbar.« Und daher rücken nun in wenigen Tagen Gartenbauer und Bagger an, um den Platz mit einem 30 Zentimeter hohen Metallzaun zu umfassen und die Rondellfläche durch Baumpflanzungen und die Neuanlage von 1,40 Meter breiten Kieswegen zu unterteilen. Für die Bezirks- und Stadtratspolitiker bedeutet der 288.000 Euro teure Umbau eine gestalterische Aufwertung – und eine Maßnahme zur Eindämmung »der unerwünschten Nutzung als Liegewiese und nächtliche Partyzone« (wir berichteten mehrfach).

Am vergangenen Montag, 27. März, fanden sich acht Menschen zusammen, die das ganz anders sehen. Im Café Nero an der Rumfordstraße wälzten Zeidler, Feindel und die Betreiber der Speiselokale »Interview« und »Zappeforster« Stadtratsvorlagen, Baupläne und Unterschriftenlisten. »Über 500 Unterschriften haben wir vor drei Wochen am Gärtnerplatz gesammelt«, so Zeidler. »Viele Leute haben uns dabei gesagt, sie wussten gar nicht, dass ihr Platz umgebaut werden soll. Das ist ein Unding!« Die Informationspolitik der Stadt sei miserabel, beklagt er. Zeidler selbst habe erst vor einigen Wochen vom Umbau erfahren und sei deswegen erst jetzt aktiv geworden. »Es ist ja kein Wunder, dass die Menschen selten Bescheid wissen, was los ist: Die Bürgerinfos sind immer derart hässlich gestaltet, dass da doch jeder abgeschreckt wird.« Deutlich wurde an dem Initiativabend vor allem, dass Stadtteilpolitik kein einfaches Pflaster ist. Macht es überhaupt noch Sinn, gegen den Baubeginn zu demonstrieren, fragte sich die Runde. Und an wen sollen Proteste adressiert werden – an den Stadtrat oder den Oberbürgermeister? Kommt man ins Gefängnis, wenn man als Zeichen des Protests ein Zelt auf dem Gärtnerplatz aufstellt? Und was genau wird denn überhaupt wie umgebaut?

Übrigens wurde beim Treffen nicht nur Kritik laut: »Ich habe heute endlich mal die Pläne gesehen und finde sie eigentlich recht gut«, urteilte etwa Heinrich Lachs, der in der nahen Blumenstraße wohnt. Und auch Lokalbetreiber Andreas Zappe hielt am Montag das erste Mal die Pläne in Händen: »Ich find’s gar nicht so schlecht.« Gerade ihm und seiner Kollegin Sandra Forster – die beiden betreiben den Nachtclub Zerwirk und die Gaststätte Zappeforster – werfen Politiker und Anwohner immer wieder vor, nur die Interessen der so bezeichneten »lärmenden Jugend« zu vertreten. »Wir sind als Gewerbetreibende keine Bürger, sondern Betroffene«, stellte Zappe in der Diskussionsrunde klar. »Und auch wenn ich mehr Informationen und einen faireren Umgang mit uns wünsche, ist natürlich klar, dass unsere Einzelinteressen vor den Gemeininteressen zurückstehen.«

Und auf die verweist auch Alexander Miklosy (Rosa Liste), der Vorsitzende des BA 2, im Gespräch mit dem »Münchner Zentrum«. »Wir haben im November 2004 extra wegen des Themas eine Einwohnerversammlung einberufen – zwischen Rumfordstraße, Klenzestraße, Erhardstraße. Wir haben basisdemokratisch abgefragt, wie die Anwohner dazu stehen – und dieses Ergebnis ist in einen Beschluss des Bezirksausschusses gefasst worden.« Natürlich könne nicht jeder mitentscheiden, schon die Blumenstraße etwa gehöre gar nicht mehr zum Bezirk. Noch mehr Information und Mitbestimmung sei kaum möglich. Miklosy gesteht zu, dass der Platz Strahlkraft habe. »Aber wir müssen eben einen Ausgleich herstellen. Und die Anwohner haben eben nachgewiesenermaßen ein Problem mit den nächtlichen Feiern.« Eine Aktion zum Erhalt des jetzigen Zustandes sei deshalb eine Aktion gegen die Anwohner. Und die Forderung nach einer Liegewiese sei »absolut lächerlich«, schließlich sei die Isar nur ein paar Gehminuten entfernt.

Für die Gärtnerplatz-Runde vom Montag jedenfalls steht nun fest, dass das Baggern wohl nicht verhindert werden kann. »Aber wir wollen den Baubeginn nutzen, um die verborgene Meinung öffentlich zu machen und den Leuten klar zu machen, was in ihrem Viertel passiert«, fasste Flavio Chouquer, Betreiber des Café Interview, die Diskussion zusammen. »Egal ob es etwas bringt oder nicht.«

Am kommenden Wochenende wollen Zeidler, Zappe und Co. deshalb nochmals mit einer Aktion auf den Umbau und die in ihren Augen ungenügende Informationslage aufmerksam machen. Und auch ins Theaterprogramm wird das Thema aufgenommen, wie Feindel ankündigte, die als Dramaturgin an den Kammerspielen arbeitet: »Im Rahmen des Projekts Bunnyhill 2 werden wir uns in dieser Spielzeit der Innenstadt und dem Gärtnerplatz annehmen.« Max Hägler

Artikel vom 28.03.2006
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