Haidhauser Bürgerversammlung: Thema Stammstrecke

Haidhausen · Lebensqualität in Gefahr

Haidhausen · Die Botschaft an die Münchner Stadträte war unmissverständlich: »Sie spielen mit dem Leben, dem Eigentum und der Gesundheit der Haidhausener Bürger!«, wetterte Volker Böhm von der »Bürgerinitiative gegen den S-Bahn-Tunnel« bei der Bürgerversammlung am vergangenen Donnerstag im proppenvollen Saal des Hofbräukellers.

Sekundenlanger Beifall folgte seiner harschen Einschätzung des geplanten Baus der Zweiten S-Bahn-Stammstrecke, von dem vor allem das Münchner Vorzeige-Kulturviertel betroffen sein wird. Die Emotionen kochten wie schon in der Versammlung im Juni zu diesem Thema über, denn die Anwohner lehnen das Münchner Großprojekt, das unter anderem eine völlige Untertunnelung der Kirchenstraße vorsieht und sich mindestens über vier Jahre hinziehen wird, vehement ab.

Eine Reihe von Anträgen, die auf der jüngsten Bürgerversammlung eingereicht wurden, ging beinahe einstimmig durch. Vor allem der Forderung nach einer sofortigen Einstellung der Trasse durch Haidhausen wurde applaudiert.

Nach Plänen der Deutschen Bahn, die vom Stadtrat bereits genehmigt wurden, soll sich der Tunnel am Bayerischen Landtag in zwei Äste aufteilen, die dann mit vier Zweigen unter dem Stadtviertel zum Leuchtenbergring führen werden. Neuralgische Punkte beim Bau sind vor allem die Kirchenstraße und der Haidenauplatz, da es hier nur teilweise möglich ist, den S-Bahn-Tunnel bergmännisch auszuheben. Wie Projektleiter Albert Scheller einräumte, muss anfangs in weiten Straßenabschnitten wegen nötiger Kanalumverlegungen in offener Bauweise vorgegangen werden. Anwohner befürchten dabei nicht nur enorme Verkehrs- und Lärmbelästigungen, sondern auch Schäden an den Häusern – wegen der Bauvibrationen.

Böhm warnte vor einer »massiven Beeinträchtigung unserer Lebensqualität« durch Feinstaubbelastung. Zudem verwies er darauf, dass durch Arbeiten diesen Ausmaßes »schon ganze Häuser eingestürzt sind«. Mit zitternder Stimme plädierte auch die Anwohnerin Monika Naggl an die Stadträte, ihre Entscheidung zu überdenken. Es sei nicht hinnehmbar, dass für die Installierung eines Notausstiegs der Bolzplatz am Johannisplatz geopfert werden soll. Das Viertel verfüge nur über eine sehr dürftige Anzahl an Kinderspielflächen, da komme es auf jeden Quadratmeter an. Die Pläne der Deutschen Bahn führten zu einem »Ausnahmezustand Haidhausen«. Nach den Vorstellungen der Anwohner sollen als Alternative zur Zweiten Stammstrecke noch einmal der Süd-Ring-Ausbau und der City-Tunnel erwogen werden. Diese Modelle seien nicht nur kostengünstiger, sondern mit einem viel geringeren Aufwand zu realisieren. »Die Deutsche Bahn hat mit schlafwandlerischer Sicherheit gerade die teuerste Lösung ausgesucht«, entrüstete sich Böhm. Das Projekt bezifferte er auf »mindestens 1,6 Milliarden Euro, wahrscheinlich aber noch mehr«.

Wie Scheller ausführte, werde die Deutsche Bahn für Schäden an Häusern, falls sie eintreten sollten, voll und ganz aufkommen. Ein Gutachter werde vor Beginn der Arbeiten eine genaue Bestandsanalyse an den einzelnen Gebäuden vornehmen. Zum City-Tunnel äußerte sich der Projektleiter skeptisch: Er sei mit dem Modell »München 21« nicht kombinierbar. Den Vorwurf, die Deutsche Bahn habe sich den Standort ausgesucht und »mache, was sie wolle«, wies Scheller zurück: Die Bahn sei nur Projektleiter, finanziert werde das Bauvorhaben vom Freistaat Bayern und vom Bund. Rafael Sala

Artikel vom 08.02.2006
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