Münchner Stadträte fordern späteren Schulbeginn

München - Endlich ausgeschlafen?

Um acht ist noch keiner wach - zumindest sind Kinder und Jugendliche dann noch weit von ihrem Leistungshöhepunkt entfernt, wie Schlafforscher wissen.	 Foto: Pixelquelle

Um acht ist noch keiner wach - zumindest sind Kinder und Jugendliche dann noch weit von ihrem Leistungshöhepunkt entfernt, wie Schlafforscher wissen. Foto: Pixelquelle

Dass die Schule künftig erst um neun beginnt, die Familie zuvor in aller Ruhe gemeinsam frühstücken kann und schließlich ausgeschlafen das Haus verlässt: Diese Vision mancher Münchner Stadträte klingt durchaus verlockend. Bloß: realistisch ist sie nicht. An hiesigen Schulen fehlen im Moment sowohl Lehrkräfte als auch Räume und – allem voran – das liebe Geld für die Umsetzung solch ausgeschlafener Ideen.

Der Wecker klingelt, obwohl es draußen noch dunkel ist. Gefühlte Zeit: Mitten in der Nacht. Müde torkeln Münchens Schüler Morgen für Morgen aus ihren Betten, kriegen am Frühstückstisch kaum einen Bissen hinunter, hetzen zum Bus, der schon hupend auf sie wartet – ein ganz gewöhnliches Alltagsszenario. „Lasst die Schüler länger schlafen!“ fordert daher unter anderem Stadträtin Nadja Hirsch (FDP). Bereits vor einigen Monaten hatte sie vom hiesigen Schulreferat verlangt, den Unterrichtsbeginn nach hinten zu verschieben; ihr Gesuch wurde abgewiesen. Vor wenigen Tagen allerdings hat Günther Oettinger (CDU), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, die Diskussion über einen späteren Schulbeginn erneut entfacht.

„Es ist wissenschaftlich erwiesen“, weiß Stadträtin Hirsch, „dass Jugendliche besser lernen, wenn sie gut ausgeschlafen sind.“ Und auch die Qualität des Frühstücks würde sich der FDP-Frau zufolge sicherlich erhöhen, wenn morgens mehr Zeit bliebe. „Und für Kinder, deren Eltern berufsbedingt früher aus dem Haus müssen, könnte die Schule eher aufsperren und ein gesundes Frühstück anbieten.“

Ein späterer Schulbeginn wäre laut Hirsch zugleich ein erster Schritt in Richtung Ganztags-Schule, „sonst geht Unterricht verloren“. Stadträtin Sabine Krieger (Grüne) stimmt ihr zu: „Das Problem bezüglich dieser Pläne aber ist: Eine Ganztagsbetreuung käme sehr teuer.“ Auch Eva Maria Volland, Sprecherin des Schulreferats, weist darauf hin, dass ein später Unterrichtsbeginn an einer Halbtags-Schule wenig Sinn mache: „Der Unterricht würde sich dadurch weiter in den Nachmittag ziehen, die Kinder könnten sich in den letzten Stunden nicht mehr konzentrieren“, glaubt sie. Auch das Argument, der Zusammenhalt von Familien werde durch einen späteren Unterrichtsbeginn gestärkt, hält sie nicht für haltbar.

„Viele Eltern müssen nun einmal früher als die Kinder aus dem Haus und um acht Uhr arbeiten“, weiß auch Lisa Hochmuth, Sprecherin des Kultusministeriums. „Genau deswegen diskutierten wir vor einigen Jahren mit Eltern, die forderten, dass Kindergärten früher öffnen müssten; gerade Mütter mit Halbtagsstellen beginnen den Arbeitstag oft um acht.“ Auch vermutet sie, dass Jugendliche den späteren Schulbeginn nur zum Anlass nehmen würden, um später ins Bett gehen zu können. „Damit wäre nichts gewonnen.“

Ministerpräsident Oettinger dagegen hatte die erneute Diskussion um den späteren Schulbeginn entfacht, weil er überzeugt ist, dass ein später Schulbeginn besser an den Arbeitstag der Eltern angepasst sei. Birgit Homburger dagegen, FDP-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, nannte seine Vision eine „Luftnummer“; SPD-Landeschefin Ute Vogt warf dem Regierungschef „Populismus“ vor. Auch betonte Vogt, dass die einzelnen Schulen bereits jetzt einen späteren Schulbeginn beschließen könnten – wenn sie wollten.

Dass dies vernünftig wäre, weil eine derartige Umstellung der inneren Uhr von Kindern und Jugendlichen gerecht werde, bestätigt Jürgen Zulley, Diplompsychologe am Schlafmedizinischen Institut der Universität Regensburg: „Natürlich ist gesunder Schlaf – und somit ein gesundes Leben – wichtig“, sagt er. „Dabei ist zu beachten, dass die innere Uhr von Heranwachsenden ab der Pubertät tatsächlich anders tickt als die der Erwachsenen. An der Tatsache, dass Jugendliche am Morgen mehr Schlaf brauchen, ändert auch frühes Zubettgehen nichts.“ Die Leistungskurve junger Menschen sei nicht nur erst ab neun Uhr morgens an einem akzeptablen Punkt, bei Schlafmangel steige sie im Laufe des Tages auch nicht so steil an, wie sie es nach einem gesunden, langen Schlaf tue. Nichtsdestotrotz stehen die Chancen schlecht für junge Morgen-Muffel, bald eine Stunde länger schlafen zu dürfen; vielmehr kommt in der Nacht zum 26. März noch ein weiterer Schlafräuber auf sie zu: die Sommerzeit klaut zunächst nochmals eine Stunde Schlaf. Von Elena Schott

Artikel vom 02.02.2006
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...