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Lesung in der Villa Stuck zu Nachkriegskunst
Bogenhausen · Aufbruch zum neuen Leben
Galt im Nachkriegsdeutschland dem einen als »Krankheit zum Tode«, dem anderen als Aufbruch zum Leben: abstrakte Kunst, hier »Sinfonie in drei Sätzen« von Rudolf Bauer. Foto: Portico New York, Inc.
Bogenhausen · Im Rahmen der Ausstellungen »Art of Tomorrow« und »Stunde O«, die noch bis 15. Januar im Museum Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60, zu sehen sind, findet eine Lesung statt. »Von verlorener Mitte und wiedergewonnener Abstraktion. Das Nachkriegsmünchen und der Streit um die gegenstandslose Kunst« ist das Motto am Dienstag, 10. Januar, 19 Uhr.
Es lesen und sprechen Markus Brandl und Benjamin Mährlein vom Münchner Volkstheater. »Die Kunst strebt fort von der Mitte. Die Kunst strebt fort vom Menschen und vom menschlichen Maß.« So glaubte der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr 1948 den Weg der Kunst in die Abstraktion und die Gegenstandslosigkeit diagnostizieren zu müssen. Sedlmayr, der als Ordinarius in den 50er Jahren in München Kunstgeschichte lehrte, löste mit seinem bis heute umstrittenen Buch »Verlust der Mitte« heftige Diskussionen aus, die 1950 in den sogenannten »Darmstädter Gesprächen« einen ersten Höhepunkt fanden und letztlich zur Gründung der »Documenta« in Kassel führten. Vor allem Künstler, Kunsthistoriker, Galeristen und Museumsdirektoren verteidigten die Positionen der Moderne, während Sedlmayr vor allem der Beifall des breiten Publikums und eines Teils der Künstlerschaft sicher war.
Jenen galt Abstraktion und Gegenstandslosigkeit als »antihumane« Entwicklung, gar als, wie Sedlmayr dramatisch schrieb, »Krankheit zum Tode«. Dabei war es ein Aufbruch zum Leben, zu neuen geistigen Horizonten. Das zeigte etwa die Galerie Günther Franke schon ab 1946 in der Villa Stuck in München mit Ausstellungen »entarteter« Künstler wie Max Beckmann, Ernst Wilhelm Nay und Willi Baumeister. Baumeister war, unter anderen, mit Rupprecht Geiger und Fritz Winter Mitglied der Gruppe ZEN 49.
Der Abend im Museum Villa Stuck am Dienstag, 10. Januar, verbindet die Münchner Nachkriegsgeschichte mit den Diskussionen um Gegenstandslosigkeit als Kunstform, – dem, was Hilla von Rebay als »Art of Tomorrow« bezeichnete. Die Kontroversen bestimmen als geistesgeschichtliche Auseinandersetzung nicht nur die deutsche Nachkriegskunst, sondern ließen grundsätzliche Fragen zur Haltung der Moderne deutlich werden, die bis heute diskutiert werden.
Artikel vom 03.01.2006Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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