Am Dienstag Pokalschlager in München: Der EHC spielt gegen Hamburg

Alte Bekannte

Der EHC München steht kurz vor dem größten Spiel seiner noch jungen Vereinsgeschichte: Am kommenden Dienstag, den 25. Oktober, steigt ab 20 Uhr das erste Zweitrunden-DEB-Pokalspiel mit EHC-Beteiligung. Das Spiel hat Brisanz. Nicht nur, weil es für die ziemlich schlecht in die Bundesliga-Saison gestartete Mannschaft (acht Punkte aus zehn Spielen) eine gute Gelegenheit ist, Selbstvertrauen für künftige Aufgaben zu tanken, sondern auch und vor allem wegen des Gegners. München trifft am Dienstag im heimischen Olympia-Eisstadion ausgerechnet auf die Hamburg Freezers aus der höchsten deutschen Spielklasse, der DEL.

Kein normaler Gegner für ein Münchner Eishockeyteam, schließlich nannten sich die Freezers 2002 noch München Barons und vertraten die weiß-blauen Farben in der DEL.

Rückblick: Mitte 1998 hatte der damals fünftreichste Mensch der Welt, der US-Milliardär Philip Anschutz, beschlossen, einen Eishockeyclub in Deutschland aufzubauen. Der Multiunternehmer, der Sportvereine sammelt wie andere Menschen Schuhe, war damals schon Eigner nordamerikanischer Eishockey- und Footballvereine, außerdem gehörten ihm bereits Eishockey-Vereine in Tschechien und in der Schweiz. Nun richtete er seine Fühler auf Deutschland aus – und wurde fündig: In Berlin, wo er den ehemaligen DDR-Kultclub und den aktuellen DEL-Meister Eisbären Berlin aufkaufte. Und in München, wo es nach dem Konkurs der Maddogs Ende 1994 keinen erstklassigen Eishockey-Verein mehr gegeben hatte. Um das zu ändern, tat Anschutz kurzerhand das, was in den USA längst gang und gäbe war: Er transferierte ein bestehendes Team von einer Stadt in eine andere. Im Falle der München Barons mussten die Landshut Cannibals daran glauben. Dieser traditionsreiche Verein war Ende der Neunziger Jahre in arge Finanznot geraten, weil man sich den sportlichen Erfolg mit zu teuren Spielern erkauft hatte. Anschutz kaufte also dem klammen Verein die Lizenz für die DEL ab und zog samt den zehn besten Landshuter Spielern und Team-Manager Boris Capla nach München. Zur Saison 1999 nahmen die München Barons somit zum ersten Mal am DEL-Spielbetrieb teil. Landshut konnte seinen Spielbetrieb zunächst lediglich in der Oberliga wieder aufnehmen. Die mit zahlreichen Nationalspielern und nordamerikanischen Stars gespickte Münchner Mannschaft dagegen konnte dank der Anschutz-Millionen im ersten Jahr auch gleich die Meisterschaft feiern. München war wieder eine Adresse für Eishockey auf höchstem Niveau.

Das Zuschauerinteresse allerdings war eher gering. Nur selten war die altehrwürdige Olympia-Eishalle im ersten Jahr ausverkauft. In den folgenden zwei Jahren konnte sich der Verein zwar sportlich in der DEL etablieren (die Barons wurden noch einmal zweiter und dritter) und auch das Faninteresse nahm langsam zu, doch Anschutz war unzufrieden. Der launische Milliardär forderte immer wieder eine neue, moderne Eishalle von der Stadt München. Das Olympia-Eisstadion war ihm einfach zu alt, zu eng, zu unfunktional. Doch weil die Verhandlungen mit der Stadt nur stockend vorangingen und das Unternehmen München Barons in drei Jahren auch noch 15 Millionen Mark Schulden angehäuft hatte, löste Anschutz das Problem einfach auf seine Weise: Die Mannschaft wurde samt Geschäftsführer Capla im Herbst 2002 kurzerhand nach Hamburg transferiert. Dort gab es zwar keine große Eishockeytradition, aber eine neue schicke Multifunktionshalle und ein sogenanntes Eventpublikum, das es in Strömen zum neuen Verein trieb. In München war der Eishockey wieder mal am Boden, wieder mal musste ganz unten angefangen werden.

Der EHC München spielt heute zwar mittlerweile in der Bundesliga, doch auch er leidet an der Barons-Pleite: Das Interesse der Münchner an Eishockey hält sich momentan doch in Grenzen und immer wieder wird dem Verein vorgeworfen, keine Tradition zu haben. Dafür kann der Verein natürlich am Allerwenigsten, aber die Verantwortlichen, die größtenteils schon früher im Münchner Eishockey aktiv waren, arbeiten daran, dass sich das ändert. Zum ersten Mal in der Geschichte des Münchner Eishockeys fällt der EHC meistens nur aus sportlichen Gründen auf. Zum ersten Mal scheint es so, als ob die Vereinsführung wirtschaftlich solide arbeiten würde. Mit Eishockey kann man in München zwar derzeit nichts verdienen, dafür sind viele potenzielle Sponsoren zu verschreckt und dafür ist München einfach auch zu fußballbegeistert und vor allem zu teuer (rund 400.000 Euro jährlich gehen nur für die Miete der Eishalle drauf). Doch immerhin wurden beim EHC im vergangenen Jahr kleine, aber schwarze Zahlen geschrieben. Auch sportlich scheint die Mannschaft jetzt nach dem äußerst schwachen Start endlich angekommen zu sein in der Bundesliga: in den vergangenen Spielen konnte der EHC regelmäßig punkten. Und am Dienstag kommt es gegen Hamburg eben zum Pokalschlager. Für EHC-Coach Gary Prior allerdings ein Spiel wie jedes andere. „Natürlich kenne ich die ganze Geschichte mit den Barons“, sagt er, „aber ich war damals nicht betroffen und ich arbeite für den EHC.“ Allerdings, verstehen könne er durchaus, dass zumindest ein Teil der Anhängerschaft gerne Rache nehmen würden an Anschutz. Ein Sieg gegen die Freezers am Dienstag „wäre für viele bestimmt eine Genugtuung. Aber es wird schwierig.“

Schwierig, aber nicht unmöglich. Schließlich sind die Hamburger ähnlich schlecht in die Saison gestartet wie der EHC – die Freezers sind derzeit Neunter in der DEL – und in der ersten Runde haben die EHC-Cracks mit den Kölner Haien schon einmal einen Top-DEL-Club aus dem Pokal gekegelt. Falls es nicht klappen würde mit einem Sieg, „haben wir zumindest mal an einem Dienstag gespielt. Das ist doch auch schöner als trainieren“, sagt Prior. Außerdem hatten die Fans Gelegenheit, zumindest mit Sprechchören den Herren Anschutz und Capla ihre Meinung zu sagen. Wer sich schon einmal für das Pokalspiel am Dienstag aufwärmen möchte, der sollte bereits am morgigen Sonntag der Olympia-Eishalle einen Besuch abstatten. Ab 18.30 Uhr kommt es zum Bundesliga-Derby gegen einen alten Münchner Bekannten: Zu Gast in München sind die Landshut Cannibals, die sich mittlerweile auch wieder hochgearbeitet und als Bundesliga-Club mit Aufstiegsambitionen etabliert haben.

Artikel vom 23.10.2005
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