Sissi Perlinger auf den Spuren der »Bridget Jones«

Garching · »Wie macht die das bloß?«

Garching · Das ist schwer. Im einen Moment noch gratulantenbeladene Bühne, volle Saalbeleuchtung und ein Applaus für die Kleinkunstmaske – im nächsten Moment sollte Sissi Perlinger ihr aktuelles Programm »Singledämmerung« beim vergangenen Kulturdonnerstag der Vhs (KuDo) – wir berichteten – zum ersten Mal auf bayerischem Boden präsentieren.

Perlinger spielt ihre Erfahrung aus. Mit einem Blitz-Warm-Up, ähnlich dem vor Talk-Show-Aufzeichnungen, sorgt die quirlige Preisträgerin erst mal für Stimmung in der ersten Reihe. Ein paar einführende Worte noch und los geht’s.

In Windeseile schlüpft Perlinger in die Rolle(n) der Frau Sissinger. Die treusorgende Hausfrau, die von ihrem Geliebten den Laufpass bekommt und im Strudel der Ereignisse nach Wegen aus der Verzweiflung sucht. Beste Freundinnen zu Rate ziehen, Schuhe kaufen, Tanzkurs besuchen, Disco-Häschen mimen, einen auf Party-Girl machen – Perlingers Programm wandelt auf den Spuren der »Bridget Jones«. Doch wo Frau Jones nur Playback singt, erhebt Sissi Perlinger ihre Stimme live. Und dann ist Gänsehaut angesagt. Perlinger tanzt, inszeniert sich selbst in gewohnt schillernder Manier. Sie singt und springt dass einem schwindelig wird.

»Singledämmerung« ist kein Gag-Feuerwerk, es ist Kabarett mit viel Musik, unzähligen Charakteren und einem deftigen Hauch Verruchtheit. In ihren stärksten Momenten fragt sich der Zuschauer: »Wie macht die das bloß?«

Wenn sie alleine, nur mit einem schwarzen Seidentuch, in drei Minuten fünf verschiedene Beste-Freundinnen samt ihrer kleinen Eigenheiten zum Besten gibt. Oder einen Ausdruckstanz zelebriert, dessen akrobatische Züge schon ans anatomisch Mögliche grenzen. Einfach unterhaltsam, wenn sie in ihren »jetzt mal ehrlich«-Momenten aus dem Nähkästchen plaudert. Mit offenem Mund sitzt man(n) da und glaubt ihr jedes Wort. Bis sie den Bogen überspannt, ins Platte ausrutscht, aus subtiler Erotik doppelbödige Witzchen macht.

Da zerbröselt das Bild der souveränen Perlinger schlagartig und hinterlässt (Sinnes) Lücken, die sie nicht füllt. Vielleicht nur noch nicht füllen kann. Denn, dass die Vorpremiere beim KuDo noch nicht bis ins letzte Detail ausgereift ist, wurde gerade zum Ende hin immer deutlicher. Wenn jeder Schritt getanzt, jede Gefühlswallung ausgelebt und von Politik bis zum Trinkspruch auch jedes Thema behandelt war, dann ist es Zeit für das »Grande Finale«. Dazu dämmerte dem selbsternannten Single lediglich wieder eine Talk-Show-Tradition: »Alles ist gut, so wie es ist« – das hätte auch Jürgen Fliege nicht besser sagen können. Gerald Feind

Artikel vom 19.10.2005
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