Münchens Nichtraucher im Kampf gegen den Qualm

München - Der Kippen-Krieg

Künftig werden sich nicht nur Schüler in die Toiletten verziehen, um dort still und heimlich eine Zigarette zu rauchen – ab dem Schuljahr 2006/07 müssen sich sogar Bayerns Lehrer verstecken, wollen sie in ihrer Freistunde etwas Nikotin tanken: In Bayerns Schulen soll künftig absolutes Rauchverbot herrschen. Ein entsprechendes Gesetz wurde in der vergangenen Woche im bayerischen Kabinett beschlossen, der Landtag wird voraussichtlich zustimmen.

„Es ist nicht tolerierbar“, findet Kultusminister Siegfried Schneider (CSU), „dass Lehrer den Schülern die Sucht vorleben“. Daher dürfe künftig auch im Freigelände von Schulen nicht mehr geraucht werden; Raucherzimmer und -ecken werden ersatzlos abgeschafft.

Schützenhilfe im Kippen-Kampf bekommt er vor allem von seinem Parteikollegen und Gesundheitsminister Werner Schnappauf: Dieser ging im Sommer auf Werbetour für rauchfreie Schulen, wobei er von Gymnasiasten in T-Shirts („Bund der geheimen Raucher“) nicht gerade freundlich empfangen wurde.

Doch Schnappauf lässt nicht locker, er legte sich sogar mit seinem Kabinettskollegen Josef Miller an: Schriftlich forderte er vom Landwirtschaftsminister, Bayern solle aus dem EU-geförderten Tabakanbau aussteigen. Dass die EU gegen Tabakwerbung vorgeht, gleichzeitig aber Millionen in den Anbau pumpt – das sei arg unglaubwürdig, schimpfte Schnappauf, selbst übrigens Jogger und bekennender Müsli-Freund. „Lieber Werner“, antwortete Gelegenheitsraucher Miller einige Wochen später, „das ist nicht zielführend. Keine Zigarette weniger wird geraucht, wenn der Tabakanbau aus Bayern verschwindet.“

Hinter dem künftigen Rauchverbot an Schulen steckt laut Schneider übrigens die „besorgniserregende“ Zunahme jugendlicher Raucher; insbesondere Mädchen würden öfter zum Glimmstängel greifen. Insgesamt rauchen heute dreimal so viele 12- bis 14-Jährige wie 1995.

Das Verbot an Schulen ist ein erster großer Schritt hin zum Nichtraucherland, aber auch der Qualm auf der Wiesn, in Kneipen und sogar in Bus-Wartehäuschen stinkt Münchens Nichtraucherfront, die sich einträchtig für ein Rauchverbot an sämtlichen öffentlichen Räumen einsetzt, wie Ernst-Günther Krause feststellt, seit 28 Jahren Vorsitzender der Nichtraucher-Initiative München (NIM) und Vizepräsident der Nichtraucher-Initiative Deutschland (NID).

„Mit dem Verbot muss ein Verkaufsverbot von Tabakwaren an Minderjährige einhergehen“, sagt er. „Es kann nicht angehen, dass 16-Jährige Suchtmittel kaufen können, die ebenso abhängig machen wie Heroin.“ Sein erklärtes Ziel ist, dass sich Nichtraucher künftig überall hinbewegen können, wo sie wollen, ohne dass sie von Rauch „belästigt“ werden. „Ein langer Weg“, sagt er. „aber wir sind unterwegs.“

Einen nächsten Schritt wird er Ende Oktober gehen: Dann legt die NIM dem Stadtrat die Ergebnisse von Feinstaubmessungen auf der diesjährigen Wiesn auf den Tisch. „Der EU-Grenzwert von 50 Mikrogramm, der in den Straßen an nicht mehr als 35 Tagen überschritten werden darf, wurde in Wiesnzelten um das Sechsfache übertroffen“, schimpft Krause. Außerdem würde sich eine Mehrheit der Bürger über Nichtraucher-Zelte freuen, wie eine Umfrage des Peinelt-Instituts im Auftrag der NIM ergab: 42,3 Prozent der Münchner sind für, 34,8 Prozent gegen ein rauchfreies Bierzelt. 18,1 Prozent der Befragten gehen gar nicht auf die Wiesn, 4,9 haben keine Meinung zum Thema.

„Ein rauchfreies Wiesnzelt ist doch eine Mordsattraktion für Münchner wie Touristen“, ist Krause überzeugt. Daher geht er davon aus, dass der Stadtrat im kommenden Jahr grünes Licht dafür gibt.

Und bis sich rauchfreie Kneipen flächendeckend durchsetzen, dauert es „keine zehn Jahre mehr“, glaubt Krause. Vor allem auch, weil Nichtraucher besser verdienen als Raucher, wie eine Umfrage seiner Initiative herausgefunden hat. „Irgendwann werden die Wirte von Speiselokalen rechnen, dass es mehr bringt, wenn ein Nichtraucher drei Bier trinkt und nicht nur zwei, die sich ein Raucher leisten kann, weil er sein restliches Geld für Zigaretten ausgibt“, ist Krause überzeugt.

Im Februar wurde in München zusätzlich die Initiative „Bel Air“ ins Leben gerufen, die sich ebenfalls für „gute, rauchfreie Luft“ in Münchner Lokalen einsetzt – unter der Schirmherrschaft von Edith von Welser-Ude, der Frau des Oberbürgermeisters.

Die Initiative zeichnet Kneipen und Restaurants mit Nichtraucher-Räumen mit einer „Bel Air“-Plakette als Gütesiegel aus; die Kneipen sind unter www.belair-muenchen.de gelistet.

Und auch in den bayerischen Alpen herrscht seit diesem Jahr Rauchverbot – zumindest auf den Hütten des Deutschen Alpenvereins. „Vollgequalmte Hütten sind nicht mit dem Naturerlebnis auf den Bergen vereinbar“, sagt Harald Dobner, Geschäftsführer der Sektion München.

Befürchtungen, die Umsätze auf den Hütten könnten daraufhin einbrechen, hätten sich in dieser Saison nicht bestätigt, im Gegenteil: „Viele positive Zuschriften belegen, dass das Verbot willkommen ist.“ Nur eines der 45.000 Mitglieder habe sich als Raucher diskriminiert gefühlt – und ist aus dem Verein ausgetreten.

Im Münchner Stadtrat fällt vor allem ÖDP-Frau Mechthild von Walter mit ihrem Engagement gegen das Rauchen auf. Bereits im Jahr 1993 hatte sie ein Rauchverbot in Schulen gefordert. „Damals wurde mein Antrag von der Stadtschulrätin abgelehnt, weil er nicht durchsetzbar sei“, sagt sie.

Ferner habe sie schon Anträge für ein rauchfreies Wiesn-Zelt gestellt, eine Raucherberatungsstelle zusätzlich zu den Drogenberatungen gefordert – und dafür von der Boulevard-Presse Prügel kassiert („das könne man ja gar nicht vergleichen!“). Ihr letzter Antrag in Sachen Nichtraucherschutz stammt vom vergangenen Frühjahr: „Ich hatte mich für ein Rauchverbot in den Wartehäuschen an Bus- und Tramhaltestellen ausgesprochen“, erzählt sie. Ohne Erfolg, wie Reinhard Wieczorek, städtischer Referent für Arbeit und Wirtschaft, mitteilt: „Im Bereich der Wartehallen ist ein Rauchverbot nicht zwangsweise gegenüber den Fahrgästen durchsetzbar. Die fraglichen Flächen im Bereich der Wartehallen stehen grundsätzlich in Gemeingebrauch. Ein Hausrecht, wie beispielsweise in den Fahrzeugen, steht den Stadtwerken dort so gut wie nicht zu.“

Von Walter war bis zum Jahr 1997 übrigens selbst Raucherin. „Meine ÖDP-Kollegen waren immer genervt, wenn ich eine Zigarette angesteckt hatte – und haben mir klar gemacht, dass Kaffee auch ohne Rauchen schmeckt.“ Sanfter Druck, so ihre Erfahrung, helfe vielen, um mit dem Rauchen aufzuhören. Dieser Druck könne auch aus einem bösen Blick im Wartehäuschen bestehen. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 13.10.2005
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