Erwachsenenbildung des HPCA fällt »Gleichstellung« vom Bezirk zum Opfer

Oberschleißheim/Münchner Norden · »Eine Frage des Geldes«

»Das geht uns alle an!«: Brigitte Scholle (3.v.l.) will gegen die Kürzungen beim HPCA mobil machen. Foto: gf

»Das geht uns alle an!«: Brigitte Scholle (3.v.l.) will gegen die Kürzungen beim HPCA mobil machen. Foto: gf

Oberschleißheim/Münchner Norden · Er wirkt zwar nicht so, aber zwischen den Zeilen signalisiert Norbert Selleneit, Leiter des Bildungswerks des Heilpädagogischen Centrums Augustinum (HPCA) in Oberschleißheim, Resignation: »Da hat man 14 Monate gekämpft, diskutiert und verhandelt und am Ende hat alles nichts genützt.« Die Tage der ganztägigen Erwachsenenbildung der Tagesbildungsstätte (TABS) im Bildungswerk des HPCA sind gezählt.

Aus Kostengründen muss der Ganzjahreszug für 32 geistig Behinderte zum Jahresende eingestellt werden. »Der Bezirk Oberbayern hat beschlossen, das Tagesentgeld um 40 Prozent zu kürzen, von 60 Euro auf 38 Euro«, rechnet Selleneit vor.

Der Bezirk rechnet anders: »Wir haben der TABS in den Verhandlungen den Höchstsatz für Behindertenwerkstätten angeboten«, so Susanne Büllesbach, Sprecherin des Bezirks Oberbayern. Die »Gleichstellung« sei angesichts leerer Kassen für Soziale Ausgaben unumgänglich. »Ich weiß, die leisten tolle Arbeit dort, aber wir können nichts ändern«, versucht Büllesbach, den verhärteten Fronten ein wenig Diplomatie einzuhauchen.

Insgesamt brechen durch die »Gleichstellung«, die einer Kürzung gleich kommt, rund 200.000 Euro für das Bildungsjahr der TABS weg. »Wir haben keine Möglichkeit, unser Angebot auf diese Weise wirtschaftlich weiter aufrecht zu erhalten«, bilanziert Selleneit. Dabei verfolgte der Unterrichtszweig primär das Ziel, die Teilnehmer, größtenteils Patienten des »Down«-Syndroms, auf ein selbstständiges Leben einzustellen. »Sie lernen dort von Kulturtechniken – Lesen, Schreiben, Rechnen – bis zum Umgang mit Geld, Einkaufengehen und den Haushalt in Schuss halten, alles, was man für den Alltag braucht«, berichtet Selleneit.

Ein Bildungsangebot, das seit 23 Jahren vor allem helfe, dem Bezirk Folgekosten zu sparen. »Schließlich muss jemand, der ein geregeltes Leben führt, nicht intensiv und teuer betreut werden.« Büllesbach weiß aber: »Das machen andere Werkstätten auch.« Zwar sei das TABS-Bildungsjahr einzigartig in Deutschland; doch während Selleneit stolz ist, dass aus ganz Europa und Asien Delegationen zu Besuch kommen, sich über Konzept und Methoden zu informieren, findet der Bezirk einen anderen Nenner: »Die anderen (Bezirke und Bundesländer, Anm. d. Red.) haben sich’s nicht leisten können – jetzt wir halt auch nicht mehr.« Man müsse mehr in die Breite gehen.

Brigitte Scholle, VdK-Vorsitzende im Ortsverein Oberschleißheim, will das nicht hinnehmen. Als Gemeinderätin, VdK-Vorsitzende und SPD’lerin will Scholle »jeden mobilisieren, seine Stimme zu erheben für die Belange dieser Leute«. Mitte Oktober soll eine Luftballon-Brief-Aktion unter dem Motto »Vergesst uns nicht!« auf das drohende TABS-Aus aufmerksam machen. Denn: »Das betrifft ganz Oberbayern!« Kurz darauf soll vorm Bezirk demonstriert werden. »Ich habe auch schon zahlreiche Anfragen gestartet«, blickt Scholle auf die Landes-SPD. Allein, die Mühlen mahlen langsam.

Zu langsam, fürchtet Selleneit. Im November ist der Kampf vorbei. Wahrscheinlich wird dann die Schließung des TABS Bildungsjahrs endgültig vollzogen. »Selbst wenn der Bezirk bei seiner Entscheidung bleibt, hoffe ich, dass es mit der Erwachsenenbildung weitergeht, indem sie etwas Neues zulassen, eine Wohnschule etwa.« »Kein Problem«, signalisiert die Bezirks-Sprecherin. »Das ist alles nur eine Frage des Geldes.« Gerald Feind

Artikel vom 27.09.2005
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