WHO, Bund, Land und Stadt bereiten sich vor: Der Welt droht eine Vogelgrippe-Pandemie

Warten auf den Ernstfall

Eine Impfung gegen Vogelgrippe gibt es bislang nicht. Aber in Labors weltweit sucht man nach Auswegen aus der drohenden Epidemie. Foto: WHO

Eine Impfung gegen Vogelgrippe gibt es bislang nicht. Aber in Labors weltweit sucht man nach Auswegen aus der drohenden Epidemie. Foto: WHO

Ein Virus, schlimmer als jeder Krieg. 20 Millionen Tote weltweit, allein in der ersten Welle, mindestens noch mal so viele schon acht Wochen später, während der zweiten Welle. Ein Horrorszenario? Wohl nicht, wenn sogar der sonst stets ruhige und gelassene bayerische Umweltminister W. Schnappauf (CSU) von einem „Killervirus“ spricht und der Bund, der Freistaat und die Stadt München Notfallpläne gegen diese tödliche Gefahr schmieden.

Die Rede ist von der so genannten Vogelgrippe-Pandemie, die aus der Vermischung von Vogelgrippe- und menschlichen Influenza-Viren entstehen könnte. Wie konkret und nah die Gefahr ist, zeigt, dass Experten „davon ausgehen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es zu so einer Pandemie kommen wird!“, so Schnappauf nach Durchsicht der WHO-Meldungen.

Ein weiteres Problem ist, dass es bisher keinen Impfstoff gegen diese neue Art von Virus gibt – das liegt ganz einfach daran, dass es das Virus noch gar nicht gibt. Was es aber gibt, sind Medikamente, die die Krankheit eindämmen könnten. Das Bekannteste von diesen heißt „Tamiflu“ und ist seit Oktober 2004 auch in Deutschland zugelassen. Und davon kauft der Freistaat Bayern gerade eine ganze Menge ein. Genauer so viel, dass 15 Prozent der Bevölkerung damit im Falle des Falles behandelt werden könnten.

„Das ist sicherlich noch nicht genug, aber immerhin viel mehr, als andere Bundesländer machen“, so Dr. Petra Graf, Abteilungsleiterin Gesundheitsschutz beim Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU). Natürlich bereitet man sich auch in München vor auf das Schreckensszenario, einen Großteil ihrer Arbeitszeit verbringt Graf derzeit mit diesem Thema. Und sobald „der bayerische Notfallplan fertig ist, natürlich noch mehr. Denn dann muss ich diesen zusammen mit meinen Mitarbeitern und den Krankenhäusern der Stadt umsetzen und den Ernstfall konkret planen.“

Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass sich die Welt Sorgen machen muss wegen dieses bis jetzt noch nicht existierenden Virus? Jeder kennt die lästige Grippe, die vor allem jetzt im Herbst grassiert. Grippe ist lästig, aber nach einer Woche meistens überstanden. Schlimmer trifft es die, die sich mit der „richtigen“ Grippe anstecken, deren Erreger das Influenza-Virus ist. Gefährdet sind hier meistens ältere Menschen, Personen mit Gefäßkrankheiten oder eben Menschen, die viel Kontakt zu anderen haben. Jedes Jahr sterben nach einer Schätzung des renommierten Robert-Koch-Instituts mehrere tausend Menschen an dem schon bisher bekannten Grippe-Virus, allein 2003 waren es 15.000. Gegen dieses tückische Influenza-Virus gibt es bereits eine Impfung, die jedes Jahr erneuert werden muss, weil sich der Erreger innerhalb von Monaten wandelt und resistent wird. „Diese Impfung ist sehr gut verträglich. Jeder, der in der Gefahrengruppe ist, sollte sich auch impfen lassen“, fordert Graf.

Auch das bisherige Grippe-Virus ist also nicht unproblematisch, kann aber kontrolliert werden. Die Mediziner und Biologen haben seit einigen Jahren vor einem viel tückischeren Virus Angst – vor einer Kreuzung zwischen dem menschlichen Influenza-Virus mit dem Vogelgrippe-Virus, der vor allem in Südostasien schon seit 2003 alljährlich grassiert. Diese kann grundsätzlich alle Vogelarten, vor allem aber Geflügel befallen, und rafft seitdem Hunderte Millionen Vögeln dahin. Im März 2003 brach die Geflügelpest auch in den Niederlanden aus. 14 Millionen Hühner sind ihr damals zum Opfer gefallen oder wurden notgeschlachtet.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, sind seit 2003 in Südostasien auch Menschen am Vogelgrippe-Virus erkrankt. In diesem Jahr sind in Asien sogar schon 63 Menschen an der Vogelgrippe gestorben. Tendenz steigend. Das Problem: Jedes zweite Lebewesen, das an Vogelgrippe erkrankt und nicht behandelt wird, stirbt – ob Mensch oder Vogel. Anstecken kann man sich vor allem beim direkten Kontakt mit infizierten Tieren, aber auch beim Verzehr von Eiern oder Geflügelfleisch. Die EU hat deswegen im August diesen Jahres einen umfassenden Importstopp auf Geflügelprodukte aus Südostasien und Russland (wo die Vogelgrippe heuer erstmals aufgetreten ist, verhängt.

Wenn sich allerdings das menschliche Influenza-Virus mit dem Vogelgrippe-Virus mischen sollte, dauert es nicht mehr lange, bis eine weltweite Epidemie – eine so genannte Pandemie – ausbricht. Denn wenn sich die beiden Erreger kreuzen, werden sie von Mensch zu Mensch übertragbar sein. Ein infizierter Urlauber steigt dann in den Flieger nach Hause, wenn er am Franz-Josef-Strauß-Airport angekommen ist, hat auch Bayern das Virus.

Deswegen arbeiten Menschen wie Petra Graf fieberhaft daran, gerüstet zu sein für den Fall der Fälle. Sobald der bayerische Notfallplan fertig sei, müsse unter anderem umgehend die Bevölkerung in verschiedene Gefährdungsstufen aufgeteilt werden. „Wer gefährdeter ist, wird natürlich auch als erstes vorsorglich behandelt, sobald die ersten Menschen an dem neuen Virus erkranken würden“, so Graf.

Graf warnt aber davor, in Panik zu verfallen: „Bei uns im Haus beschäftigen sich sehr viele mit der möglichen Pandemie. Und auch der Freistaat und der Bund tun sehr viel. Wir sind auf jeden Fall vorbereitet!“ Von Filippo Cataldo

Artikel vom 22.09.2005
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...