Antisemitismus-Vorwurf gegen Kommunalpolitiker Thomas Lange (SPD)

Mehr als Tisch und Stuhl

Stadtrat Thomas Lange: Antisemit oder Opfer eines Rufmords?

Stadtrat Thomas Lange: Antisemit oder Opfer eines Rufmords?

Es ist eine recht lange Geschichte, die nur von ein paar Stühlen und Tischen handeln sollte, die aber letztlich in einem Antisemitismus-Vorwurf gegen Stadtrat Thomas Lange (SPD) gipfelte: Er soll in seiner Funktion als Mitglied des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel (BA 1) bei einem Ortstermin zu den Besitzern des Innenstadt-Cafés Siena gesagt haben: »Wir sind hier nicht in Israel, wo man mit Panzern und Schusswaffen Probleme löst.«

Und: »Die Juden kriegen nie den Hals voll, wollen nichts bezahlen.« Lange dementierte die zweite Aussage. Café-Chef Yair Zeldman aber hat nach eigener Aussage erwidert: »Ich habe keine Angst vor Ihnen. Das Krematorium in Dachau ist längst ein Museum.« Ein unglücklicher Höhepunkt einer Verhandlung um Freischankflächen und Auftakt einer öffentlichen Abrechnung der Familie Zeldman mit BA-Chef Wolfgang Püschel: »Herr Lange hatte sich bis zu seinem Ausspruch immer korrekt gegenüber uns verhalten«, sagt Zeldman. »Herr Püschel aber hat uns ständig Steine in den Weg gelegt. Er hat meinen Sohn jahrelang schikaniert.«

Die Vorgeschichte: Im November 2003 haben Dan und sein Vater Yair Zeldmann die Lizenz für Freischankflächen vor dem Café Siena beim Kustermann am Rindermarkt beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) beantragt; für ihre beiden Cafés am Petersplatz hatten sie bereits zuvor Freischank-Genehmigungen erwirkt. Der Antrag für das Siena allerdings ging verloren - irgendwo auf dem Postweg zwischen KVR und BA-Geschäftsstelle. Weitere Pannen und, wie Yair Zeldman findet, »Schikanen« folgten: Aus unterschiedlichen Gründen wurde die Genehmigung ein ums andere Mal abgelehnt: Zuerst, weil vor Ort eine Baustelle war, dann will BA-Vorsitzender Püschel von der Branddirektion erfahren haben, dass die Tische einen Fluchtweg versperren würden. Die Branddirektion allerdings hatte nach Informationen des Münchner Wochenanzeigers eine solche Anfrage nie gestellt bekommen. Weiters wurde die Genehmigung aus »optischen Gründen« abgelehnt. Kaum, dass die Zeldmans eines dieser vielen Argumente gegen die Freischankfläche widerlegen konnten, fiel dem BA ein neuer Grund ein, die Fläche abzulehnen. »Es war ein außergewöhnlich zähes Hin und Her«, bestätigt Brigitte Kern, Leiterin der zuständigen BA-Geschäftsstelle. »Es gibt Bezirksausschüsse, die nicht so lange über die Flächen diskutieren. Eigentlich sind sie als belebendes Element von der Stadt gewünscht.« Schließlich überging Yair Zeldman den BA und wandte sich direkt ans KVR, das nach einer Empfehlung durch die BAs ohnehin letztendlich über jede Freischankfläche bestimmt. Das Amt willigte sofort ein, Zeldman konnte unverzüglich Stühle und Tische vor seinem Café aufstellen.

Bei einer Ortsbesichtigung von Thomas Lange am 22. Juli - einige Tage nach Genehmigung der Freischankflächen - sollen dessen antisemitische Äußerungen vor Zeugen gefallen sein. Lange ist im Rathaus zwar bekannt für seine große Klappe; dass er antisemitisch ist, sei allerdings unvorstellbar, beteuern Parteikollegen. Laut Zeldman ist der SPD-Stadtrat wenige Tage nach seiner vermuteten verbalen Entgleisung nochmals ins Café gekommen, um sich beim Wirt zu entschuldigen. Jener bekomme alle seine Forderungen erfüllt, wenn Zeldman den Vorwurf des Antisemitismus fallen lasse, soll Lange beteuert haben. »Und wenn ich auf dem ganzen Marienplatz Tische aufstellen darf, werde ich das nicht machen«, habe Zeldman nach eigener Aussage erwidert. Allerdings vermuten einige Rathauspolitiker, dass Lange provoziert worden ist: »Wenn Sie die Tische nicht genehmigen, ist das Antisemitismus«, sollen die Zeldmans im Vorfeld gedroht haben.

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatte dann in Chefmanier am gestrigen Mittwoch die Beteiligten zu einem klärenden Gespräch ins Rathaus gebeten. »Äußerungen antisemitistischen Inhalts und Äußerungen, die zumindest einen solchen Eindruck erwecken, können nicht im Raum stehen bleiben, sondern müssen zurück genommen werden«, sagte er im Vorfeld der Diskussion. Die Zeldmans dagegen wollten sich lieber um die Freischankflächen-Vergabepraxis Püschels unterhalten: »Dem Lange verzeihe ich - auch ohne Entschuldigung«, sagte Vater Zeldman am Dienstag im Gespräch mit dem Münchner Wochenanzeiger. »Was uns der Püschel angetan hat, werde ich aber nicht vergessen. Er ist ein Lügner.« Am Mittwoch nach dem fünfstündigen Gespräch mit dem OB forderte Zeldman dann doch, Lange solle sich dafür entschuldigen, »die Juden kriegen den Hals nie voll« gesagt zu haben. Lange hierzu: »Wenn mir - entgegen meiner Erinnerung - in der Hitze des Gesprächs diese Aussage, die mir fremd und zuwider ist, unterlaufen sein sollte, entschuldige ich mich dafür.« Zur Äußerung »wir sind hier nicht in Israel« meinte Ude, dies könne als als »sachfremd, diskriminierend und verletztend empfunden werden.« Lange stimmte zu und entschuldigte sich auch dafür. Erst danach stimmte Familie Zeldman am Mittwoch Nachmittag der Veröffentlichung einer zweiseitigen Presseerklärung zu in der sich der OB jedes weiteren Kommentars enthielt. Auch die Vorwürfe gegen den BA-Vorsitzenden Püschel werden vorerst nicht weiter verfolgt. Nadine Nöhmaier

Artikel vom 07.09.2005
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