In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

Stadt-Menschen

Bettina Seeger (re.) hat Geschichte und Geschichten der Maikäfersiedlung eingefangen.

Bettina Seeger (re.) hat Geschichte und Geschichten der Maikäfersiedlung eingefangen.

Berg am Laim · Über den Namen ist viel spekuliert worden, letztendlich weiß aber keiner so genau, woher er eigentlich kommt. Fest steht nur, dass der eigentliche Name »Siedlung Echarding« schnell in Vergessenheit geriet. Zwischen Ramersdorf und Berg am Laim, präsentiert sich ein architektonisches Ensemble, das sich in seiner Anlage, Gestaltung und Geschichte von den umgebenden Stadtteilen abhebt: die »Maikäfersiedlung«.

Erstmals widmet sich ein Buch der Geschichte und dem besonderen Flair der ehemaligen »Volkswohnanlage« (»Die Maikäfersiedlung in München«, Volk Verlag, 19,90 Euro).

Hinter dem beschaulich anmutenden Namen verbirgt sich ein Areal mit bewegter Vergangenheit: Die 1936 bis 1939 gebaute Siedlung war die erste nationalsozialistische Volkswohnanlage in München und galt im Dritten Reich als Musterbeispiel für den sozialen Wohnungsbau. Heute ist sie eine grüne Oase im Umbruch, deren beschlossener Abriss seit den 70er Jahren auf massiven Widerstand der Bewohner stößt. Buchautorin Bettina Seeger spannt einen siedlungsgeschichtlichen Bogen von der Planungsphase der 1920er Jahre bis zu den noch bevorstehenden Umbaumaßnahmen. Sie zeichnet das besondere Flair der Siedlung und den engen nachbarschaftlichen Zusammenhalt nach und lässt in zahlreichen Bildern Geschichte und Geschichten die letzten 70 Jahre der Maikäfersiedlung Revue passieren.

Seit zehn Jahren wohnt die Architektin dort. »Statt sich hinter meterhohen Thujenhecken zu verschanzen, möglichst ohne Kontakt zu den Nachbarn, war das in der Maikäfersiedlung von Anfang an ganz anders«, erzählt Seeger. »Beim Umbau unseres Hauses standen immer die Nachbarn mit Rat und Tat zur Seite, versorgten uns mit Werkzeug und brachten sogar warmes Essen. Das ist exemplarisch für die Siedlung. Jeder kennt jeden und hilft jedem. Trotz der zentralen Lage ist es ein bisschen wie auf dem Land und hat nichts anonymes.« Zum Teil mag das an den Gärten liegen, vermutet Seeger. Bei vier Metern Hausbreite bekommt man automatisch Kontakt.

Dabei ist nicht alles so idyllisch im Viertel, wie es auf den ersten Blick scheint: Die Veränderungen seien überall spürbar, so Seeger. »Die Bewohnerstruktur ändert sich durch die Neubaumaßnahmen drastisch. Ist die jetzige Neubebauung (Kainzenbad- und Höhenstädterstraße) noch einigermaßen homogen (gleiche Geschosshöhe, gleiche Dachneigung, Lochfassade mit Putz), wird sich dies mit dem Abriss der Echardinger- und Bad-Schachener-Straße grundlegend ändern.« In der Krumbadstraße seien viergeschossige Flachdachhäuser mit zurückversetzten Dachgeschosswohnungen geplant, »das hat architektonisch nichts mehr mit dem bestehenden Charakter der Siedlung zu tun, eine optische Identifikation über die gleiche Architektursprache kann so nicht mehr stattfinden«, findet die Wahl-Maikäferin.

»Man kommt sich mitterweile vor wie Asterix und Obelix – zumindestens die Eigenheimbesitzer und alteingesessenen Mieter, die unvermindert die Stellung halten, während ringsherum abgebrochen, neu gebaut wird und sich alles verändert.«

Den zweiten Teil des Buches widmet die Autorin den prominenten und weniger prominenten, aber interessanten Bewohnern. Als da wären Paul Würges, der deutsche Bill Haley, der mit seinen 72 Jahren bis heute auf der Bühne steht. Die Bildhauerin Charlotte Goltz, ihre Tochter Tabitha Goltz, Besatzungskind und »Kindertheaterstar« der 50er, die Boxfamilie Liebl, Klaus Bräu, der bayerische Herkules, der Fußballprofi Heinz Lettl oder Sandrina Löscher, Münchens Janis Joplin. Daneben geht es um Parkplatzprobleme einst und jetzt, Fasching in der Einkehr oder die Siedlung als Filmkulisse. Deren charmante Patina dient desöfteren als Schauplatz für Film und Fernsehen: 2004 wurde in der Echardinger Straße 61 eine Folge von »Siska« gedreht.

»Schlangengrube« war im Frühjahr 2005 zu sehen. Eine weitere Folge spielt in der Krumbachstraße. Auch Uschi Glas war 1996 als Kiesfabrikbesitzerin »Anna Maria« in der Heilbrunner Straße zu Gast. Und der neueste Doris Dörrie-Film vom sozialen Aufstieg zweier Märchenhelden wird unter anderem in einer Wohnung in der Bad-Schachener-Straße gedreht. Für eine Szene in einer Badewanne musste das Bad in der Maikäfersiedlung allerding erst noch eingebaut werden... Michaela Schmid

Artikel vom 02.08.2005
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