Einen Krippenplatz für Kleinkinder zu finden, gleicht im Lehel einer Odyssee

Lehel · Auf Krippensuche wie Maria

Lehel · Ausgiebiges Klinkenputzen, endloses Warten und am Ende klappt es meist doch nicht: Wer in München nach einem Krippenplatz sucht, braucht starke Nerven. Damit soll Schluss sein, wenn es nach dem Bezirksausschuss Altstadt-Lehel geht: Das Gremium fordert, das undurchsichtige Vergabesystem für Krippenplätze zu vereinfachen.

Auf dem Papier stehen die Chancen für Mütter aus dem Stadtteil gar nicht mal schlecht. Zu dreißig Prozent ist das Lehel laut offiziellen Angaben mit Krippenplätzen versorgt – das ist dreimal so viel wie im restlichen Stadtgebiet und überhaupt ein stattlicher Wert in der Betreuungsdiaspora Bayern. Dumm nur, dass die offiziellen Zahlen für die Lehel-Mütter in der Praxis nahezu irrelevant sind – wovon Sandra Z., Sprecherin einer örtlichen Muttergruppe, dem Bezirksausschuss ein Lied singen konnte.

Für ihre sechs Monate alte Tochter sucht die Steuerberaterin seit der achten Schwangerschaftswoche nach einem Betreuungsplatz. Bei 14 Krippen ist sie bereits eingeschrieben. Auf einen Platz könnte sie nach eigener Rechnung frühestens 2006 hoffen – weswegen sie ihre Tochter in einer mehr als doppelt so teuren privaten Krippe unterbringen muss. Das Hauptproblem bei der Krippensuche: Einen Sprengel, der dafür sorgt, dass die Kleinkinder in ihrem Stadtteil unterkommen, gibt es bei der Krippenplatzvergabe nicht – anders als bei Schul- und Kindergärten. Aus diesem Grund versuchen zahlreiche Eltern im ganzen Stadtgebiet ihr Glück in der Krippenlotterie.

Was die Situation im Lehel weiter verschärft: Viele Münchner, die in der Innenstadt arbeiten, versuchen ihr Kind in der Nähe ihres Arbeitsplatzes unterzubringen. Die Warteliste der städtischen Krippe an der Robert-Koch-Straße nähert sich daher der Tausendermarke.

Das Ärgerliche dabei: Bei jeder Krippe musste sich Sandra Z. persönlich anmelden. Weil für alle Krippen dasselbe knappe Zeitfenster gilt – zwei Stunden montags bei Krippen, zwei Stunden dienstags bei Kooperationseinrichtungen –, ging bei der Krippenodyssee viel Arbeitszeit verloren. Für Sandra Z. ist unverständlich, warum die Anmeldung nicht zentral per Computer erfolgen kann: »Wenn die Stadt auf Linux umrüsten kann, sollte sie das doch auch schaffen«.

Besonders lautstarke Unterstützung fand die Mutter bei der Grünen-Fraktion. Norbert Weigler – zugleich Kinderbeauftragter des Bezirks – nannte die Versorgungssituation einen »Skandal«. SPD-Fraktionschef Thomas Lange konnte diese Entrüstung nicht teilen: Die Kinderbetreuung sei eine freiwillige Leistung der Stadt – und eine Kostenfrage. An dieser Stelle warf CSU-Sprecher Stefan Blum ein, dass es aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen sei, sich stets gegen Gebührenerhöhungen gestemmt zu haben.

Darüber, dass das Vergabesystem dringend einfacher werden muss, war sich der Ausschuss jedoch einig. Um dem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen, will BA-Chef Wolfgang Püschel (SPD) eine Koalition mit den übrigen Bezirksausschüssen schmieden.

Münchens Mütter sollten sich, nach Willen des Ausschusses, nicht mehr fühlen »wie die Jungfrau Maria auf dem Weg zur Geburt«. Martin Hoffmann

Artikel vom 07.07.2005
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