Bis 27. Juni liegen die Listen für das Volksbegehren „G 9“ aus

München · Stimmen gegen das Hopplahopp-Gymnasium

Will zurück zum G9: Georg Kolb, Vater eines Gymnasiasten und Mitinitiator eines entsprechenden Bürgerbegehrens. Foto: Archiv

Will zurück zum G9: Georg Kolb, Vater eines Gymnasiasten und Mitinitiator eines entsprechenden Bürgerbegehrens. Foto: Archiv

Manchmal, da kann es plötzlich sehr schnell gehen in der Politik: Das achtjährige Gymnasium zum Beispiel führte Schulministerin Monika Hohlmeier (CSU) – hopplahopp! - quasi über Nacht ein. Und jetzt – pünktlich zum Start des Volksbegehrens gegen dieses Schnellschuss-Gymnasium – kündigt ihr Nachfolger Siegfried Schneider (ebenfalls CSU) auf einmal eine Reform desselben an.

So ein Zufall, oder, wie Georg Kolb, Leiter des „Volksbegehrens G 9“ in München, meint: „Das ist reiner Populismus!“

Bis 27. Juni können sich die wahlberechtigten Bayern in diversen Ämtern (siehe Kasten) in Listen eintragen, um sich für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium auszusprechen. Ziel des Volksbegehrens ist eine Gesetzesänderung: Im bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz soll ab 1. August wieder stehen, dass „das Gymnasium die Jahrgangsstufen fünf bis 13“ umfasst.

Eine Elterinitiative aus Mittelfranken hatte die für dieses Volksbegehren nötigen 27.300 Stimmen gesammelt; unterstützt wird es vor allem von Familien, deren Kinder bereits das achtjährige Gymnasium besuchen. „Es kann schließlich nicht angehen, dass Zwölfjährige einen längeren Arbeitstag haben als ihre Eltern“, schimpft Kolb, dessen Sohn die sechste Klasse eines Münchner Gymnasiums besucht. „Bis zu 36 Wochenstunden müssen sie im Unterricht sitzen, plus Lernen und Hausaufgaben.“ Die Schüler seien überfordert: Sie hätten den gleichen Stoff zu bewältigen wie bisher – aber in deutlich kürzerer Zeit. An „Gitarre und Tennis“ brauchen sie überhaupt nicht mehr zu denken.

In der freien Wirtschaft hätte es solch ein Verfahren laut Kolb nicht gegeben: „Die schnelle Einführung des G 8 gleicht einem Experiment mit ungewissem Ausgang: Das ist unseriös! Ein Unternehmen gibt auch kein Auto heraus, bei dem Reifen und Hupe fehlen.“

Dass ein neunjähriges Gymnasium der Königsweg zur Hochschulreife sei – davon ist er nicht überzeugt, „aber eine bessere Alternative zu dem, was derzeit läuft, ist es allemal.“ Sein Vorschlag ist, das G 9 wieder einzuführen, und parallel dazu ein G 8 für hochbegabte Schüler zu konzipieren.

Dass es Chaos verursache, wenn jetzt wieder ins alte System gewechselt werde, glaubt er nicht: „Chaos herrscht jetzt. Eine erneute Umstellung wäre unproblematisch: Schließlich lernen die Schüler nach wie vor nach dem G 9-Lehrplan.“

Bayerns Schulminister Siegfried Schneider widerspricht: „Eine Rückkehr zum G 9 würde nicht nur Schüler, Lehrer und Eltern verunsichern, sondern auch zu einem organisatorischen Chaos führen“, sagt er. „Es gäbe dann gleichzeitig ein ‚G 9 alt’, ein ‚G 9 neu’ sowie ein ‚G 8’. Zudem müssten zum Beispiel die von Eltern und Schülern einmütig gelobten Intensivierungsstunden zurückgenommen werden.“

Aber: „Die Anliegen des Volksbegehrens nehme ich sehr ernst“, ergänzt er. „Deshalb mache ich derzeit mit Eltern, Schülern und Lehrern eine Bestandsaufnahme. Deren Ergebnisse ermutigen mich, das G 8 weiterzuentwickeln.“

Das kann Schneider auch ohne große persönliche Vorbelastungen – schließlich kann er Planungsfehler auf seine für ihre Schnellschüsse bekannte Vorgängerin abwälzen. Doch ganz unbeteiligt am laufenden G8 ist Schneider nicht - als CSU-Bildungsexperte war er an den Planungen beteiligt.

Jetzt soll jedenfalls, so heißt es aus Ministeriumskreisen, vor allem der Nachmittagsunterricht in der Unter- und Mittelstufe reduziert werden. Deutsch werde in der 8. Klasse gekürzt; und obendrein „streicht“ Schneider ausgerechnet bei dem „pädagogischen Filetstück herum“, den Intensivierungsstunden, wie Simone Tolle kritisiert, bildungspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen.

Anscheinend fürchtet die CSU die Bürgerabstimmung durchaus - die Vermutung drängt sich auf, nachdem Schneider die Änderungen pünktlich zum Start des Volksbegehrens ankündigt. Dabei sind die Chancen, die insgesamt 916.000 Stimmen für eine mögliche Gesetzesänderung zusammen zu bekommen, eher schlecht: In München haben sich am Dienstag, dem ersten Tag des Begehrens, lediglich 696 Bürger in die entsprechenden Listen eingetragen. „Im Vergleich zu anderen Volksbegehren ist das relativ wenig“, weiß eine Rathaus-Mitarbeiterin.

Auch die Landtags-Opposition und der Bayerische Philologenverband (bpv) reagierten zurückhaltend auf das Begehren. „Wir sind keine Freunde des G8“, sagt beispielsweise bpv-Pressesprecher Hergen Kicker. „Und wir stehen dem Volksbegehren mit großer Sympathie gegenüber.“ Dennoch glaubt der Verband nicht daran, dass „das Rad wieder zurück gedreht“ wird: Die „Schlacht um das G9“ sei bereits vor einem Jahr verloren gewesen. „Wir als Beamte müssen das G8 jetzt hinnehmen.“ Der Lehrer-Verband sehe es nun als Hauptaufgabe an, die Schwächen des neuen Gymnasiums aufzuzeigen.

SPD-Stadträtin Heidemarie Köstler, Mitglied im Münchner Schulausschuss, rechnet ebenfalls nicht damit, dass sich die Eltern-Initiative durchsetzt: „Das G 8 ist schon auf den Weg gebracht. Und im Übrigen gehen auch die Schüler in Restdeutschland und in Europa meist nur zwölf Jahre zur Schule.“

Allerdings kritisiert auch sie die übereilte Einführung: „Der Freistaat schafft an, aber er schafft nicht die nötigen Bedingungen: Eine Ausweitung des Unterrichts bedeutet auch, Speisesäle zur Verfügung zu stellen.“

Jutta Koller, bei den Stadtrats-Grünen für Kinder- und Jugendthemen zuständig, wünscht dem Volksbegehren „viel Glück“. „Ich fürchte aber, dass das Interesse der Bevölkerung an schulischen Themen eher gering ist: In weniger als 15 Prozent der Münchner Haushalte leben Kinder“, sagt sie.

Kolb dagegen glaubt an den Erfolg des Volksbegehrens: „Der bayerische Unmut wird ins Rathaus getragen“, ist er überzeugt. Man müsse nur noch ein wenig nachhelfen, damit alle Bürger von der Initiative erfahren: Mit den Spendengeldern besorgter Eltern, 30.000 Euro sind zusammengekommen, werden noch letzte Plakate gedruckt; außerdem wird Kolb am 21., 22. und 24 Juni jeweils von 16 bis 20 Uhr am Marienplatz die Bürger persönlich an einem eigenen Stand informieren. Von Nadine Nöhmaier

Hier liegen die Listen für das Volksbegehren aus

Rathaus, Stadtinformation, Marienplatz 8. Wahlamt, Ruppertstraße 19, Zimmer 3128. Bezirksinspektion Süd, Implerstraße 9, Zimmer 465. Bezirksinspektion 4, Destouchesstraße 87. Bezirksinspektion Ost, Trausnitzstraße 33, Zimmer 0.421. Bezirksinspektion West, Landsberger Straße 486. Bezirksinspektion 24, Josef-Frankl-Straße 55. Bezirksinspektion 11, Riesenfeldstraße 75. Bezirksinspektion 12, Ohmstraße 11. Bezirksinspektion 10, Hanauer Straße 91 a (RG).

Öffnungszeiten der Stadtinformation: Montag bis Freitag von 10 bis 20 Uhr, Samstag, 18. und 25. Juni, und Sonntag, 26. Juni, jeweils von 10 bis 16 Uhr. Öffnungszeiten der Bezirksinspektionen und des Wahlamts: Montag bis Donnerstag 8 bis 17 Uhr, Freitag 7 bis 12 Uhr, Samstag, 18. Juni, geschlossen, Samstag 25. Juni und Sonntag, 26. Juni, 10 bis 16 Uhr, Montag, 27. Juni, 8 bis 20 Uhr.

Artikel vom 16.06.2005
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