Hermes Phettberg leidet im Lustspielhaus

München · „Nette Leit-Show“

Ist so durchgeknallt, wie er schaut: Hermes Phettberg. Foto: VA

Ist so durchgeknallt, wie er schaut: Hermes Phettberg. Foto: VA

Einen solchen Menschen schafft nur Wien, und ein solcher Mensch kann nur von Wien geschaffen werden. Wien, das Morbide, die dort alltägliche Lust an Abgründen, das Katholische, das sich selbst verabscheut, die Kunst, die mehr Leiden ist.

Jedenfalls: Hermes Phettberg passt da gut dazu. Er lacht wenig, er ist ein Trauerspiel in Menschengestalt. Nur ist es für ihn kein Spiel, sondern sein Leben. Er ist – selbst würde er es nicht anders formulieren – das menschgewordene Gegenteil von Schönheit: Aufgedunsener Körper, fettiges, ungepflegtes Haar. Ist geplagt von sich selbst, seinem Unglück, seinen sexuellen Leidenschaften, seiner Kontaktlosigkeit, seinen Trieben. Und nicht zuletzt von seiner Armut.

All das zelebriert er seit Jahren in der Öffentlichkeit so, als sei es Kunst. Doch es bleibt sein Leben. Die Unfähigkeit, Ordnung in der Wohnung zu halten – sie wurde öffentlich gemacht: Die vergeblichen Aufräumversuche als Happenings. Die Unfähigkeit, einen Partner, auch nur einen Sexualpartner zu finden – sie wird öffentlich gemacht: Verzweifelte Kontaktanzeigen mit vollem Namen und Nennung der erwünschten Praktiken, Lesungen in öffentlichen Wiener Toiletten, die bekannt sind als Orte für schnellen Sex unter Homosexuellen.

Sogar ins Fernsehen trieb es ihn: Angekettet und mit blankem Hintern führte Hermes Phettberg einst Sandra Maischberger in seine Abgründe.

Um 1995 hatte er im österreichischen Fernsehen seine „Nette Leit-Show“. Trotz, wahrscheinlich auch dank seiner offen gelegten Neigungen und Perversionen ist er zwar regelrecht angekommen im Kulturbetrieb Wiens, wurde er doch 2002 von der Stadt ob seiner „radikalen und subjektiven Beobachtungen“ geehrt. Und doch ist er bitterlich verarmt. Selbst beschreibt er sich als „Publizist und Elender“.

Am Sonntag und am Montag tritt er jeweils ab 20.30 Uhr im Lustspielhaus auf, schwadroniert über sein Leben – und leidet es auf offener Bühne.

Vorgetragen werden dabei auch etliche seiner „Predigtdienste“, die er seit 1992 wöchentlich für die Wiener Stadtzeitung „Falter“ schreibt, und die im letzten Jahr gesammelt unter dem Titel „Hundert Hennen“ in Buchform erschienen. Es sind schonungslose Auseinandersetzungen mit dem großen Unglück des Alltags und dem kleinen Glück, selbst gefertigte Psychoanalysen. Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 16.06.2005
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