Haidhausen protestiert bei Einwohnerversammlung gegen zweite Stammstrecke

Haidhausen · Lautes »Nein« gegen S-Bahn

Vier Jahre Dauerbaustelle: Längsschnitt der geplanten zweiten Stammstrecke, die auch unter Haidhausen verlaufen soll.	Foto / Grafik: DB

Vier Jahre Dauerbaustelle: Längsschnitt der geplanten zweiten Stammstrecke, die auch unter Haidhausen verlaufen soll. Foto / Grafik: DB

Haidhausen · Irgendwann war die Wut nicht mehr zu bremsen, die Einwohnerversammlung im Hofbräukeller drohte zum Eklat zu werden, eine Haidhauser Bürgerin brachte mit zitternder Stimme ihre Bedenken zur Sprache.

»Wir werden hier alle verschaukelt!«, unterbrach sie einer ihrer Nachbarn, und ein dritter forderte die Einwohner des Stadtviertels gar dazu auf, sich zu organisieren – gegen ein gigantisches Bauprojekt, das, wenn die beteiligten Bundes- und Landesbehörden grünes Licht geben, bereits ab Herbst kommenden Jahres anlaufen könnte: die geplante »Zweite S-Bahn-Stammstrecke München« zwischen München-Laim und dem Ostbahnhof sowie dem Leuchtenbergring. Die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren sind bereits fertig, die Abwicklung läuft auf Hochtouren.

Nach diesem Verfahren haben die Bürger sechs Wochen lang Zeit, ihre Bedenken vorzutragen. Aus Sicht der Stadt und der Deutschen Bahn ist der Bau notwendig. »Die bestehende S-Bahn-Stammstrecke ist eine überlastete Engstelle im gesamten Münchner S-Bahnnetz«, sagt Bahn-Sprecher Horst Staimer. Im Jahre 1972 für ein Fahrgastaufkommen von 250.000 Personen täglich konzipiert, hat die Linie durch die Münchner Innenstadt inzwischen eine Kapazität von über 720.000 Kunden pro Tag erreicht. Der Bau einer rund zehn Kilometer langen, zweigleisigen Strecke soll Abhilfe schaffen.

Vier bis fünf Jahre sollen die Bauarbeiten dauern, das Projekt wird auf rund eine Milliarde Euro beziffert und euphorisch schon als eine der größten technischen Herausforderungen der Ingenieurskunst bezeichnet. Für die Einwohner Haidhausens ist es allerdings eine pure Horrorvorstellung, denn zwei Kilometer der Trasse, vom Bayerischen Landtag bis zum Haidenauplatz, werden direkt unter dem stark bewohnten Stadtviertel verlaufen. Neuralgische Punkte sind vor allem die Kirchenstraße und der Haidenauplatz, die vier Jahre lang zur Dauerbaustelle werden dürften. Gesamtprojektleiter Albert Scheller versuchte zwar, die schlimmsten Befürchtungen der Bürger zu zerstreuen, machte allerdings auch keinen Hehl aus dem, was auf sie zukommt: »Da gibt es gar keine Verharmlosung.« Die gravierendsten Probleme seien in der Kirchenstraße zu erwarten.

Denn dort kann wegen einer nötigen Kanalverlegung in der ersten Bauphase nicht unterirdisch, sondern nur an der Oberfläche gebaut werden. Der Haidenauplatz wird von einem komplizierten Geflecht aus einer Vielzahl von Leitungen und Kanälen unterquert, die alle neu verlegt werden müssen. Zudem erfolgt hier unter anderem der Abtransport des Aushubmaterials – insgesamt sind es 1,7 Millionen Kubikmeter – mit einem dementsprechend anwachsenden Lkw-Verkehr. Scheller rechnete jedoch vor, dass ein Verkehrszuwachs von lediglich 0,8 Prozent zu erwarten sei.

Auf andere Problembereiche angesprochen – Lärmbelästigungen, Schallerschütterungen an den Gebäuden, Behinderung des Berufsverkehrs, enormes Verkehrsaufkommen auch in der Prinzregentenstraße – versicherte der Projektleiter immer wieder, dass man sich darum bemühe, die Unannehmlichkeiten so weit wie möglich zu »minimieren«.

Die zulässigen Grenzwerte würden zudem nicht überschritten. Die Anwesenden brachten solche Beschwichtigungen indes noch mehr auf die Palme, selbst die Bezirksausschuss-Vorsitzende Adelheid Dietz-Will hatte sichtlich Mühe, Haltung zu bewahren: »Was auf uns zukommt, ist gewaltig«, fürchtet sie. In zahlreichen Wortmeldungen brachten die Bürger ihre Wut und Ablehnung dem Projekt gegenüber zum Ausdruck.

Vor allem um den Baumbestand sorgten sie sich. Denn dem Bau werden nach ersten Schätzungen 39, teilweise 100 Jahre alte Buchen zum Opfer fallen. Auf dem Kinderspielplatz am Johannisplatz soll ein Notausstieg eingerichtet werden. Ein aufgebrachter Bürger warf der Deutschen Bahn vor »vollendete Tatsachen« zu schaffen. Längst sei das Projekt beschlossene Sache – am Willen der Bürger vorbei und gegen mögliche Alternativen wie einen S-Bahn-Südring. Rafael Sala

Artikel vom 07.06.2005
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