Bürgermeisterin Gertraud Burkert will Stadtteilpolitik einschränken

Feldmoching/Freimann/Hasenbergl · Basisdemokratie nicht erwünscht

Feldmoching/Freimann/Hasenbergl · Eigentlich ist es eine alte Geschichte, es geht um Einfluss und um Eitelkeit: Die einen wollen mehr Macht, die anderen wollen ihre Mitsprache nicht aufgeben. Münchens zweite Bürgermeisterin Gertraud Burkert (SPD) möchte die Bezirksausschüsse (BA) bei »stadtviertelübergreifenden Themen« künftig erst nach einem Richtungsentscheid des Stadtrates anhören.

Bis Anfang Juni sollen die Stadtteilpolitiker nun auf den Vorschlag antworten. Auch wenn manche BA-Mitglieder positive Aspekte sehen, ist die Stimmung gereizt.

»Wir lehnen das vehement ab«, sagt Werner Lederer-Piloty (SPD), Vorsitzender des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann (BA 12). »Wir wollen nicht g’schafteln, aber die Planungen sollen doch nicht am Bürger vorbei gehen!« Vor allem bei städtebaulichen Entwicklungen sollte man das kreative Potenzial von Bürgern nutzen und »von unten nach oben« planen. »Dass wir frühzeitig eingeschaltet werden, bedeutet für die Projekte keinen Zeitverlust, im Gegenteil: Wenn von oben unbefriedigende Entscheidungen getroffen werden – dann kostet das Zeit.« Dann gäbe es oft Widerstand und Gegeninitiativen.

Ohnehin gebe es laut Lederer-Piloty keinen Änderungsbedarf: »Die Zusammenarbeit mit der Stadt läuft doch meist gut: Man denke an das Projekt Domagkgelände, da haben alle Seiten Hand in Hand gearbeitet!« Damit stadtteilübergreifende Themen auch in Zukunft auf diese Weise behandelt werden, die künftige Nutzung der Bayernkaserne in Freimann oder die geplante Tram-Linie durch den Englischen Garten beispielsweise, sprach sich der BA 12 bereits einstimmig gegen den Vorschlag Burkerts aus: »Wir verbieten uns doch nicht selbst den Mund«, so Lederer-Piloty.

Auch Rainer Großmann (CSU), Vorsitzender des Bezirksausschusses Feldmoching-Hasenbergl, ist dagegen, dass »die Anhörungsrechte des Bezirksausschusses derart beschnitten werden«. Die Forderung Burkerts ist seiner Meinung nach viel zu allgemein gefasst: »Natürlich ist es richtig, wenn der Stadtrat Dinge entscheidet, die Münchens wirtschaftliche Zukunft betreffen. Aber dass wir künftig generell in allen stadtteilübergreifenden Angelegenheiten die zweite Geige spielen sollen – das kommt nicht in Frage.« Hintergrund des Vorschlags von Bürgermeisterin Burkert seien übrigens »Abstimmungsprobleme mit den BAs« bei einem verkehrsplanerischen Thema im letzten Jahr, so Walter Stoiber vom Direktorium der Stadt München. Nadine Nöhmaier

Der Weg zu mehr Mitsprache – Die Geschichte und Funktion der Bezirksausschüsse

Die Geburtsstunde der Münchner Bezirksausschüsse war vor gut 60 Jahren. 1945 waren die Amerikaner nach München gekommen. Neben »Entnazifizierung« sollten den Bürgern im Rahmen der »Re-Education« auch demokratische Strukturen in Politik und Verwaltung vermittelt werden. Am 7. Oktober beschloss der Münchner Stadtrat provisorische Bezirksausschüsse.

Lange Zeit hatte das Gremium aber nur eine beratende Funktion. Mit dem erfolgreichen Volksentscheid »Mehr Demokratie in Bayern: Bürgerentscheide in Gemeinden und Kreisen« 1995 wurden auch die Entscheidungsrechte der Bezirksausschüsse gestärkt. Seitdem werden dessen Mitglieder auch direkt gewählt. Und das ist seitdem die Funktion des Bezirksausschusses – bisher:

Die Bezirksausschüsse sind lokale Organe der Stadtverwaltung. Ihre Aufgabe ist die Unterstützung und Durchsetzung von stadtteilbezogenen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Nach der Übertragung von eigenen Entscheidungsrechten werden nun zahlreiche Empfehlungen aus den jeweiligen Bürgerversammlungen, die sich auf das Stadtviertel beziehen, vom »Stadtteil-Parlament« in eigener Verantwortung behandelt. In den Bezirksausschüssen kann im Einzelfall entschieden werden, wie Straßen, Plätze, Fußgängerbereiche, öffentliche Grünflächen oder Spiel- und Sportplätze gestaltet werden sollen und wo Erholungsflächen und Freizeitzentren sowie Sozial- und Kultureinrichtungen im Stadtviertel fehlen.

Die Bezirksausschüsse sind nun auch zuständig für die Benennung von Straßen und Plätzen im Stadtbezirk, soweit damit keine persönlichen Ehrungen verbunden sind. Die »Stadtteil-Parlamente« prüfen, wo Wochenmärkte eingerichtet oder umgestaltet werden sollen, wo Litfaßsäulen und andere Werbeanlagen errichtet werden können. Auch die stadtviertelbezogene Planung von Fuß- und Radwegen wurde auf die Bezirksausschüsse übertragen. Ebenso kümmern sie sich um das Stadtteilkulturprogramm, die Organisation und Durchführung von Stadtteilfesten und Kulturveranstaltungen. Die Bezirksausschüsse fördern und pflegen die Stadtteilgeschichte und entscheiden über die erstmalige Gewährung von Zuschüssen für Vereine und soziale Initiativen im Stadtviertel.

Die Entscheidungskompetenz der Bezirksausschüsse umfasst auch Projektaufträge bei städtischen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen mit einer Bausumme zwischen einer und fünf Millionen Mark. M. Schmid

Artikel vom 11.05.2005
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