Der DGB erteilt dem Maibaum Platzverbot

München – Demonstrieren statt Maibaumkraxln

Im Hau-Ruck-Verfahren nach oben: Am 1. Mai schwitzen die Männer in Bayern beim Baumaufstellen, wie hier in Neuaubing.  Foto: Maibaumverein Sankt Markus

Im Hau-Ruck-Verfahren nach oben: Am 1. Mai schwitzen die Männer in Bayern beim Baumaufstellen, wie hier in Neuaubing. Foto: Maibaumverein Sankt Markus

Der Mai beginnt in diesem Jahr mit einem Platzproblem. Eigentlich, so fordert es die Tradition, muss spätestens bis zum Mittag des 1. Mai der Maibaum aufgestellt sein. Das sollte auch auf dem Viktualienmarkt im Rahmen eines kleinen Blasmusik-Festes passieren. Aber: Auf dem Viktualienmarkt feiert am 1. Mai schon jemand, und der, der feiert, ist kein traditioneller Brauchtumsverein, sondern der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB).

Der 1. Mai nämlich ist nicht nur der Tag des Maibaums, sondern auch der Tag der Arbeit. Und weil die Gewerkschaftler heuer wegen einer Baustelle auf dem Marienhof nicht genügend Platz für ihre Kundgebung haben, reservierten sie sich eben den Viktualienmarkt. Nur: Kann es sein, dass der DGB ausgerechnet am 1. Mai gegenüber Maibaumkraxlern und Blasmusikkapellen an Münchens prominentestem Markt einen Platzverweis ausspricht?

Das kann sein: „Wir holen die Mai-Feierlichkeit am 2. Mai nach. Das geht halt heuer nicht anders“, sagt Frederic Weihberg, der für das Marketing des Viktualienmarkts zuständig ist. „Eine DGB-Veranstaltung und das Maibaumaufstellen – das passt nicht zusammen.“

Also: Tag 1 des Wonnemonats ist heuer nicht dem Maibaum vorbehalten, der Mai beginnt um 12 Uhr mit einer Kundgebung der Arbeiterbewegung am Marienplatz. Es sprechen Helmut Schmid, Vorsitzender der DGB-Region München, Oberbürgermeister Christian Ude und Frank Bsirske, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft. Ab 13 Uhr steigt ein Kultur- und Familienfest für alle Altersgruppen auf Marienplatz und Viktualienmarkt. Der Titel der Veranstaltung: Würde zeigen! Ab 18 Uhr lädt die DGB-Jugend zu einem Festival auf dem Marienplatz mit den Hip-Hoppern „Main Concept“, den Trash-Pop-Gitarristen „Peter Coretto“, der Dancehall-Kombo „Mono & Nikitaman“ und der Reggae-Band „RTS Soundsystem“.

Leider empfiehlt es sich, nicht zu lange zu feiern, denn wer zumindest am 2. Mai den neuen Maibaum begrüßen will, muss früh aufstehen: Gegen 5 Uhr morgens wird er, spendiert vom Verein Münchener Brauereien, beim Viktualienmarkt abgeliefert. Bis halb zwölf etwa verpassen ihm Münchner Handwerker den letzten Feinschliff und bringen traditionelle Figurengruppen sowie Münchner Stadtfahnen und einen Kranz an. Gegen 11.45 Uhr wird der 34,20 Meter hohe und zwei Tonnen schwere Baum aufgestellt – mit Hilfe eines Krans der Feuerwehr und nicht, wie auf dem Lande üblich, in Gemeinschaftsarbeit mittels langen Stangen. „Das Sicherheitsrisiko wollen wir nicht eingehen“, so Weihberg. Gegen 12.10 Uhr schließlich hält OB Christian Ude eine Ansprache.

Dass der Viktualienmarkt heuer einen neuen Baum bekommt, ist verwunderlich: „Rund fünf Jahre hält ein Baum für gewöhnlich, der letzte stammte aus dem Jahr 2002“, sagt Weihberg. Die Sommer 2003 und 2004 allerdings seien extrem heiß gewesen – der ehemalige Baum trocknete aus, bekam Risse und war schlicht und ergreifend einsturzgefährdet. „Im November 2004 wurde er deshalb umgelegt“, sagt Weihberg. „Der wäre nicht mehr durch den TÜV gekommen.“

Wer mit einer Feier um den Maibaum allerdings weder bis zum 2. Mai warten, noch diese durch ein Gewerkschaftsfest ersetzen will, dem seien die Maibaum-Feiern angeraten, die pünktlich beginnen: Beim Alten Wirt in Obermenzing beispielsweise wird der traditionelle Pfosten bereits am 30. April ab 13 Uhr aufgestellt. Am 1. Mai ab 9 Uhr werden dort die Figuren angebracht; am 1. Mai ab 8 Uhr stellt die Münchner Berufsfeuerwehr einen Baum am St. Martins Platz auf; ab 9.30 Uhr wird die Allacher Eversbuschstraße 154 mit dem Stangerl geschmückt.

Besonders traditionell läuft die Feier in Neuaubing statt: Dort kümmert sich der Maibaum-Verein St. Markus um die fachmännische Baumaufstellung. Ab 13.45 Uhr bauen die Brauchtumspfleger ihren wunderbar geschmückten Pfosten nach einem Festzug am Kirchplatz vor St. Markus auf.

Wer allerdings den größten Maibaum der Welt sehen will, der muss nach Eicherloh bei Erding fahren: Mit seinen 50,5 Metern Höhe ist der dortige Prachtpfahl bereits vor seiner Errichtung ins Guiness Buch der Rekorde aufgenommen worden. Am 1. Mai ab 9 Uhr wird er aufgestellt. Übrigens: Obwohl in Münchens Mitte das Maibaum-Fest um einen Tag verschoben wird – der traditionelle Tanz in den Mai findet zumindest pünktlich am heutigen Samstag, den 30. April, statt – ab 19.30 Uhr im Alten Rathaussaal mit dem Münchner Kreis für Volksmusik, Lied und Tanz. Traditionell begrüßt der Tanz am Vorabend des ersten Mai, der Freinacht, den Frühling: er gilt als Ausdruck der Lebensfreude.

Doch Vorsicht: Alle, die zum Tanzen gehen, sollten aufpassen, dass sie ihr Radl oder ihr Auto sicher abstellen: In der Freinacht ziehen Jugendliche gerne durch die Straßen, um ihren Mitbürgern Streiche zu spielen. Beliebt ist vor allem das Einwickeln von Autos oder Radl mit Klopapier, das Besprühen von Türklinken mit Rasierschaum oder das Verändern von Ortsschildern. Der Hintergrund: In Oberbayern galt es früher als unschicklich, an arbeitsfreien Feiertagen Arbeitsgeräte herumstehen zu lassen. Daher wurden diese von der Dorfjugend in der Nacht „aufgeräumt“: Die jungen Leute hievten beispielsweise umherstehende Heuwagen auf die Scheunendächer.

Der Verein Münchener Brauereien sollte in der Freinacht also gut auf den Maibaum für den Viktualienmarkt aufpassen: Münchens Jugend könnte sonst auf die Idee kommen, ihn zu stehlen – der Maibaumdiebstahl ist bekanntermaßen ebenfalls ein gern gelebter Brauch. Und falls das neue Holzstangerl dann nicht rechtzeitig ausgelöst wird – dann müssen die Münchner noch länger als bis zum 2. Mai mit ihrem Tanz um den Viktualienmarkt-Baum warten... Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 28.04.2005
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