Erzählabend in der Mohr-Villa über das Kriegsende

Freimann · Papier ist eine Zeitmaschine

Freimann · »Bei so einer Arbeit darf man nicht auf die Uhr schaun«, rät Brigitte Trischler, Archivarin in der Mohr-Villa. Zwischen unzähligen Ordnern, Mappen und Heftern, verstaut in einem unscheinbaren grünen Blechschrank, wühlt sie sich über Wochen stundenlang durch Fotos, Notizen, Zeitungsschnipsel und Briefe. Jedes Stück Papier wie eine Zeitmaschine – wer blickt schon auf die Uhr bei so viel Geschichte vor der Nase.

»Diese Dinge zu erhalten ist enorm wichtig«, argumentiert Trischler. Geschichte lebe von den Geschichten und davon gibt es am kommenden Freitag, 29. April, ab 18 Uhr beim Erzählabend in der Mohr-Villa eine Menge zu hören. Mit von der Partie sind auch Anna-Maria Kauter und Barbara Waubke, die die Wirrungen und konfusen Szenen aus den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges noch vor Augen haben. »Ich war grad im Englischen Garten spazieren, als ich die Durchsage hörte, dass wir uns den Amerikanern ergeben sollen.

München soll kampflos übergeben werden und wir müssen alle die Bettlaken aus den Fenstern hängen«, erinnert sich Waubke noch an jenen Tag vor 60 Jahren an dem die Freiheitsaktion Bayern den Sender Freimann besetzte. Und dann, so Waubke weiter, sei sie nur noch gerannt, »nach Hause, wo ich mich sicher gefühlt habe.«

Dieses Zuhause war schon damals mitten in Freimann. »Das Archiv ist aber auch für die neuen Bewohner wichtig um sich orientieren zu können«, ergänzt Waubke. Die Fund- und Sammelstücke, lebendige Zeugen aus dem grünen Schrank, stehen jedoch nicht im Mittelpunkt am Freitag. Dann wird erzählt und sicherlich auch diskutiert, wie’s wirklich war. Denn viel ist nicht mehr übrig und »die Zeit wird schon knapp«, gesteht auch Kauter, 83, ein. Dabei sei das vermitteln der Geschichte wichtig. »Dieses Wissen darf kein totes Material werden«, fordert Kauter und für Waubke seien Veranstaltungen, wie der Erzählabend, und die Archivarbeit »ein wichtiges Stück Friedensarbeit«.

Immer mehr junge Menschen hätten sich bereits beim vergangenen Erzählabend – rund 60 Besucher – für die Geschichten interessiert, so Trischler. Die späte mediale Aufarbeitung der letzten Tage des Nazi-Regimes, etwa auch in dem Kino-Film »Der Untergang«, trügen sicherlich zur Neugier bei. Doch wer auch nur einen kleinen Blick auf die Archive wirft, kann sich der Faszination und Spannung der alltäglichen Episoden nicht entziehen.

Der Erzählabend wird mit Berichten und Geschichten sein übriges tun, die damaligen Ereignisse vor’s geistige Auge zu projizieren.

Artikel vom 27.04.2005
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