Otto van de Loo und seine Galerie in der Pinakothek

Maxvorstadt · »Nestbeschmutzer« im Museum

Cobra-Kunst von Asger Jorn. 	Foto: Pinakothek der Moderne

Cobra-Kunst von Asger Jorn. Foto: Pinakothek der Moderne

Maxvorstadt · Noch bis 3. April ist in der Pinakothek der Moderne die Ausstellung »Leidenschaft für die Kunst – Otto van de Loo und seine Galerie« zu sehen. Sie versteht sich als Hommage an eine der herausragenden deutschen Galeristen- und Sammlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts und zeigt ein Stück Münchner Kulturpolitik.

Ausgestellt werden knapp 100 Werke der Künstler des Informel sowie insbesondere der Gruppe Cobra (Copenhagen-Brüssel-Amsterdam) und SPUR, die eine stark farbige, expressive und spontane Bildsprache außerhalb gängiger Normen und Traditionen propagieren und auch in München aktiv waren.

Das Konzept der 1957 von van de Loo in München eröffneten Galerie war deutlich in der Gegenwart verankert: Ein emotionales Informel, die Gruppe Cobra mit dem Dänen Asger Jorn, Arnulf Rainer, die SPUR-Künstler und viele andere prägten das innovative Bild dieser »Pilot-Galerie«, ein Gütesiegel, das ihr 1963 mit einer Ausstellung in Lausanne als einziger deutscher Galerie verliehen wurde.

Von einer lokalen, konservativen kulturpolitischen Szene bekämpft, aber auch von linksorientierten Kreisen als »kapitalistischer Händler« mit Skepsis betrachtet, wurde der Blick auf die künstlerische Qualität der Galeriearbeit van de Loos nur zu leicht verstellt. Zwei Ereignisse waren dafür charakteristisch: Die SPUR-Prozesse und der Eklat mit der Gruppe der »Internationalen Situatioisten«, ein Zusammenschluss linksorientierter Intellektueller und Künstler. Im Spannungsfeld dieser extrem unterschiedlich gelagerten Kontroversen lassen sich Anspruch und Selbstverständnis der Galerie van de Loo wie auch ihre Außenwirkung präzise fassen.

Beide Ereignisse fielen in eine Zeit, in der die westeuropäische, besonders jedoch die bundesdeutsche Kunstszene noch weit von jeder Normalität entfernt war. Kunst konnte noch polarisieren und die Gemüter erhitzen. Die Beschlagnahmung der Zeitschrift SPUR 1961 durch das Sittendezernat der Kripo München, der später in Berlin heiß diskutierte »Fall Baselitz« und vergleichbare Auseinandersetzungen kulminierten in dem Vorwurf der Obszönität. Allerdings war die Münchner Reaktion feindseliger und nachhaltiger in der Wirkung als andernorts. Die SPUR-Künstler galten hier als »Nestbeschmutzer«, die sich gegen selbstgefällige Behäbigkeit und Intoleranz zur Wehr setzten. In einer Zeit, die von Prüderie und doppelter Moral ebenso lebte, wie von der Chimäre unbegrenzten Wachstums, bedeutete jede Verletzung wohl gehüteter Normen ein schwer zu tolerierendes Sakrileg.

Aus heutiger Sicht erscheint der Wirbel lächerlich, jedoch hatten die beklemmend engstirnige Argumentation der Staatsanwaltschaft, eine Haftstrafe der SPUR-Künstler auf Bewährung und Ausstellungsverbote für die Galerie einschneidende Konsequenzen.

Van de Loos Künstler verbindet das Ungeformte der Bildsprache, in der sie nach neuen Orientierungspunkten außerhalb einer in Normen erstarrten Gesellschaft suchen. Es geht um Kunst als Sprache, ein Gedanke, der für Otto van de Loo verbindlich war. Hier blieb er kompromisslos, kämpferisch und Repräsentant jener legendären Pilotgalerie jenseits des »mainstreams« und ganz auf die unverbrauchte Kraft der Bilder bauend.

Artikel vom 03.03.2005
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